Filmkritik Avatar: The Way of Water

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Wie über einen Film wie Avatar: The Way of Water schreiben, ohne Superlative zu verwenden? Es fällt schwer. Mehr als drei Stunden Laufzeit, 13 Jahre Wartezeit, ein Budget irgendwo zwischen 350 und 500 Millionen Dollar, letztlich dritterfolgreichster Film aller Zeiten mit mehr als 2,3 Milliarden Dollar Einspielergebnis. Überdies ein Film, dessen visueller Bombast und tricktechnische Meisterleistung außer Frage steht. 

Megaerfolg ohne Popkultur

Wie kann das sein? Schon im Vorfeld wurde darüber gesprochen, dass es Avatar: Reise nach Pandora nie geschafft hat, Teil der Popkultur zu werden. Der ist zwar erfolgreichster Film aller Zeiten, aber die Ticketeinnahmen stehen in keiner Relation zu dem geringen gesellschaftlichen, kulturellen Nachhall. Star Wars oder die Universen von Marvel und DC sind da um Längen weiter. Und mit Matrix und Blade Runner bietet die Science-Fiction Werke, die für Generationen stilprägend wurden – im Gegenteil zu Avatar

Aber woran liegt es nun, dass gerade dieser zweite Teil solch ein gigantischer Erfolg wurde? Was sind die Versprechen, die der Film abgibt, und welche werden vom Film eingelöst?

Altmodisches Epos als Erfolgsgarant

Fangen wir mit dem an, das am meisten kritisiert wurde, der Story. Ja, Avatar: The Way of Water ist altmodisch. Im Film trifft konventionelle, seit Jahrzehnten erprobte Erzähltechnik auf die ausgefeilteste, modernste Filmtechnik, vieles davon musste für diesen Film erst erfunden und entwickelt werden. Wie schon im ersten Teil 2009 gibt es im zweiten Teil Szenen, bei denen einem die Kinnlade herunterklappt. Die technische Perfektion ist atemberaubend, die Bilder sind spektakulär. Das erschafft einen plastischen Eindruck einer fremden Welt, die ihresgleichen sucht. Wer den Film im 3D-Kino mit HFR, idealerweise noch im IMAX-Format, hat eine Filmerfahrung gemacht, die es so noch nie zu sehen hab – und bis heute noch immer ist.

Die konventionelle Story ist bereits ein eingelöstes Versprechen, das Regisseur James Cameron immer gibt: Er erzählt Epen und macht keine Experimente. Die meisten der größten und bekanntesten Filme der Geschichte sind große Epen. Sie alle verlassen sich auf eine einfache Grundstruktur, eine in möglichst vielen Kulturkreisen leicht konsumierbare Story und möglichst viel Bombast. 

Cameron liefert genau das und trifft damit erneut ins Schwarze.

Seit Aliens – Die Rückkehr erzählt James Cameron Familiengeschichten. Sie sind allgemeingültig. Basta. Damit haben seine Hauptfiguren die größte Motivation überhaupt, das macht sie in jeder Hinsicht nachvollziehbar und glaubwürdig – auch in phantastischen Welten wie der von Avatar. Camerons allgegenwärtiger emotionaler Kern funktioniert im Kampf gegen Aliens ebenso wie als Avatar in einer märchenhaften Welt oder an Bord der Titanic. Die Bedrohungen sind immer gleich real, denn sie berühren das Leben an sich. 

Mehrere Zielgruppen im Visier

Da Cameron mit Titanic auch Zielgruppen ansprach, die mit seinen vorherigen Filmen nichts anfangen konnten, hat er nun zwei Zielgruppen, denen er mit seinen Filmen Großes verspricht und diese Versprechen erfüllt. Der einen liefert er Gewohntes, den anderen Neuartiges. Das zeugt von beeindruckender Kennerschaft, auf die Verlass ist. Filme mit solchen Stories und solchen narrativen Grundstrukturen brauchen keinen Trend und keine Popkultur, um zu wirken. Sie sprechen weltweit die Massen an, weil sie von etwas erzählen, das allen Menschen wichtig ist. 

Das allein erklärt den Erfolg noch nicht. 

Alle reden zu Recht über die technischen Innovationen Camerons. Der setzt sie nicht nur ein, sondern erfindet sie grundlegend. Damit ist er der Erste, wenn es um die Visualisierung von Dingen geht, die vorher unmöglich waren. Dieser Ruf verpflichtet. Dass diese visuelle Freiheit ungeahnte Welten zeigt, ist natürlich ein Pfund.

Aber reden wir von der eigentlichen Stärke: James Cameron ist ein Großmeister der Balance. Seit Avatar: Reise nach Pandora 2009 spielen seine Filme nahezu komplett in virtuellen Welten – aber er tut alles Machbare, um die Technik in den Dienst einer Geschichte zu stellen und nicht umgekehrt. Er hält die Balance zwischen Darstellbarem und Gewohntem so geschickt, dass einem nach kurzer Zeit die zugrundeliegende Technik gar nicht mehr wie Technologie vorkommt, sondern wie Realität.

Hinzu kommt, dass Cameron es mit dem Erzählen nicht eilig hat. 

Schneller zur Sache

War Cameron im ersten Teil mit einer nötigen, langen Einleitung beschäftigt, kommt er nun im zweiten Teil deutlich schneller zu Sache. Das gibt Avatar: The Way of Water von Beginn an mehr Drive. Erst nach einem verhältnismäßig actionreichen Einstieg nimmt sich Cameron erneut die Zeit, den neuen Abschnitt in der Welt von Pandora, seine Figuren und seine Eigenheiten zu

zeigen. Die Konflikte sind dabei jederzeit klar und vielfältig. Die Hauptfiguren werden zu Fremden auf der eigenen Welt und müssen sich in eine Gesellschaft und Habitat neu einfinden. Hier gibt es eine Menge zu entdecken.

Unterwasserwelt als ästhetische Erfahrung

Spätestens, wenn Sully und seine Familie ins Wasser gehen, wird deutlich, wie viel Wert Cameron auf eine ästhetische Naturerfahrung legt. Wie schon im 1. Teil nimmt er sich viel Zeit, um mit unverwechselbaren Naturbildern einen Kontrast zur kühlen Technologie zu etablieren, der die Menschen verhaftet sind. Cameron macht deutlich, dass sein Herz bei aller Technologieliebe für die Ökologie und Natur schlägt. Er lässt uns in atemberaubenden Tableaus schwelgen, um uns zu zeigen, was im weiteren Verlauf der Handlung auf dem Spiel steht. 

Die Unterwassersequenzen gehören zum Schönsten, das die Kinogeschichte je hervorgebracht hat. 

Was für ein Showdown

Er liefert eine Menge Melodram, aber auch einen fast einstündigen Showdown, in dem immerhin 45 Minuten äußerst gekonnt die Fetzen fliegen. Bei der Action bleibt sich Cameron als zielsicherer Action-Regisseur alter Schule treu. Er verzichtet auf hektische Schnitte, schwindelerregende Kamerafahrten oder gar Zeitlupen und alle andere Stilmittel, die Action-Regisseure nach ihm als Standard zu definieren versuchen wie beispielsweise Michael Bay. Camerons Action sitzt, weil er versiert Action als Action inszeniert und nicht als schaumschlagender Budenzauber mancher Kollegen der letzten Jahre. 

Der Anteil der Science-Fiction ist groß, aber eben auch das Fantasy – alles eingebettet in den klassischen Rahmen eines alten Abenteuerfilms und Westerns. Mit dieser ausgezeichneten Balance deckt Cameron eine große Bandbreite an Genres ab. Das dürfte einer der Gründe sein, wegen dem der Film so enorm erfolgreich werden konnte.

Mehr Differenzierungen

Einer der Hauptkritikpunkte am Vorgänger war die Holzhammermethode, mit der die Charaktere mehr gekleckst als gezeichnet worden waren. Während die Naa‘vi grundsätzlich gut waren und sich Sully schnell zum Edlen wandelt, waren die Bösewichte so absurd böse, dass sie wie eine schlechte Parodie des Bösen an sich wirkten.

Das ist Cameron glücklicherweise im 2. Teil nicht mehr so sehr passiert. So gibt es nun gerade im neu eingeführten Naa‘vi-Stamm Wesen, die neben ihrer prinzipiellen Gutheit auch Ecken und Kanten haben. 

Die deutlichste Differenzierung nimmt hier allerdings Colonel Quaritch, dessen Schlechtigkeit Cameron im 1. Teil mit einem Bratpfannen-Dauerfeuer in das Publikum prügeln wollte – und damit maßlos übertrieb.

Natürlich bleibt Quaritch auch jetzt noch der Bösewicht, aber es werden ihm immerhin Feinheiten zugestanden, die ihn menschlicher werden lassen.

Weniger Kitsch

Obwohl Avatar: The Way of Water in die Fußstapfen seines Vorgängers tritt, hat Cameron den Kitschanteil reduziert. Es geht weniger gefühlsduselig und esoterisch zu, wozu auch der Soundtrack beiträgt. Weniger süßliche Melodien, weniger Ethno-Romantik, dafür mehr druckvolle Passagen gerade in Actionszenen. Sogar die Musik der Unterwasserszenen ertränken diesmal nicht in dem Schmalz, den die Filmmusik der ersten Teil dominiert hat.

All das hat Avatar: The Way of Water ausgesprochen gut getan. Mit seinen 192 Minuten ist der Film ein echter Brocken geworden, der jedoch keine Minute langweilt und vor allem in den letzten 45 Minuten ein großartiges Action-Spektakel bietet, das die Story sinnvoll in einen Showdown überführt. 

Warten auf Teil 3

Da Teil 2 und 3 weitestgehend nacheinander und gleichzeitig produziert wurden, war die Fortsetzung schon von Beginn an ausgemachte Sache. Produzenten und Studio nutzten auch jede Gelegenheit, die Fortführung zu betonen. 

Der Grund: Avatar: The Way of Water schließt anders als Teil 1 die Geschichte nicht ab. Ohne Teil 3 wäre die Story insgesamt unvollständig. 

Wo andere Studios und Regisseure kalte Füße bekommen, bleiben im Fall des 3. Teils alle Beteiligten merkbar gelassen. Denn einerseits hat Teil 2 gezeigt, welche gigantischen Einnahmen auch mit dem 3. Teil generiert werden können – andererseits hat er bewiesen, dass das Publikum bereit ist, Jahre auf eine Fortsetzung zu waren. Immerhin sind zwischen Teil 1 und 2 satte 13 Jahre vergangen. 

So zuckte niemand zusammen, als man den Film um ein ganzes Jahr nach hinten verschob, von Dezember 2024 auf nun Dezember 2025. 

Nachdem Teil 1 das Element Erde zum Thema hatte und Teil 2 das Element Wasser, wird es im 3. Teil um das Element Feuer gehen. 

Veröffentlichung fürs Heimkino

Erstmalig seit Jahren brachte Disney, das inzwischen Twentieth Century Fox gekauft hat, mit Avatar: The Way of Water wieder eine 3D-Version auf den Markt. Alles andere wäre auch massiv fahrlässig gewesen. Und obwohl sowohl die Streaming-Varianten als auch die 4K-UHD das hochauflösende Bild liefern, bleibt für das Heimkino die Kinoerfahrung in HFR unerreichbar. 

Das hat die gute Seite, dass ein Besuch im Kino das immersivste, beste Erlebnis bietet, das man Zuhause mit keiner Technik erreichen kann. So kann man sich in der Tat auf Teil 3 freuen, denn wir wissen: Cameron wird auch damit erneut ein Spektakel der Superlative auf die Leinwand bringen.

Avatar: The Way of Water
USA 2022
Regie: James Cameron
Mit: Sam Worthington, Zoe Saldana, Sigourney Weaver, Stephen Lang, Kate Winslet
Produktion: 20th Century Fox / Disney
Länge: 197 Minuten
FSK: Ab 12

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