Filmkritik Late Night with the Devil

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Alles für die Quote – selbst wenn man sich einen Dämon in die Late Night Show holt: Late Night with the Devil ist aktuell eine kleine Horrorsensation, und das nicht zu Unrecht. Kein anderes Genre ist seit Jahren so experimentierfreudig und bringt immer wieder erstaunliche Werke hervor wie das Horrorgenre. Ob The Witch von David Eggers, Hereditary und Midsommar von Ari Aster oder im letzten Jahr der experimentelle Skinamarink von Kyle Edward Ball: Die geringen Kosten dieses Genres erlauben waghalsige, intelligente und künstlicher ambitionierte Projekte, die das Genre ausweiten, bisweilen sprengen und sich andere Bereiche erschließen. 

Late night with the Devil nimmt sich nun die Medien vor, und zwar sowohl die quotengeilen Menschen rund um die Produktion bis zu den Zuschauern. In Form einer Dokumentation zeigen uns die beiden australischen Regisseure Cameron Cairnes und Colin Cairnes die angeblich authentische Aufzeichnung der letzten Ausgabe der Late-Night-Show Night Owls aus dem Jahr 1977. Ihr Late Night with the Devil ist so hochaktuell wie hochinteressant und eine würdige Bereicherung eines Genres, das zunehmend intelligenter wird.

Erzählung in begrenztem Raum– und Zeitrahmen

Wir sehen nicht nur die Show selbst, sondern blicken auch auf das, was sich während der Werbeunterbrechungen abspielt. Mit diesem Blick auf und hinter die Kulissen entfaltet sich das Geschehen nahezu in Echtzeit. Aus diesem räumlich wie zeitlich begrenzten Rahmen muss die Geschichte das Beste machen: Keine Erklärungen, keine Rückblenden, nichts. Wir sehen nur, was „damals wirklich geschah“, in Form einer Quasi-Dokumentation. Wir sind mit dem Verständnis und Deutung des Geschehens allein – und Voyeure. Womit wir beim Kern des Ganzen sind.

Jack Delory (David Dastmalchian) ist quotengeil, weil seine Karriere davon abhängt. Doch wo sind die Grenzen des Darstellbaren erreicht? Schon seine inzwischen an Krebs verstorbene Frau hat er todkrank in seine Sendung geholt, um gegen den übergroßen Johnny Carson anzukämpfen.

Das Publikum ist nur zu gern bereit, sämtliche Geschmacksgrenzen und ethischen Zweifel hinter sich zu lassen. Hauptsache, es wird gut unterhalten. 

Das Dumme ist nur: Das Publikum hat keine Lust mehr auf ihn, der sich nach dem Tod seiner Frau erst zurückzog und nach seiner Rückkehr ins TV-Studio keinen Stich mehr landen konnte. Was ist da also besser, als eine ultimative Halloween-Show abzuziehen, die – je verrückter und sensationsgeiler sie wird – die Massen vor die Bildschirme zurückholt.

Im Bann der Sensationsgeilheit

Besessen ist nicht nur die minderjährige Lilly D’Abo (Ingrid Torelli), die live im Publikum in Trance versetzt wird, um ihren Dämon zu sprechen. Sondern alle: Zuschauer und Beteiligte vor, in und hinter den Kulissen, an den Bildschirmen 1977 und nicht zuletzt wir selbst. So wie die angeblich reale Show darauf setzte, nach jeder Werbeunterbrechung spektakulärer zu werden, warten wir als Publikum des Films ebenso darauf. Es ist die Sensationsgeilheit des Voyeurs, und wir machen mit allen Beteiligten darin gemeinsame Sache. 

Die Cairnes-Brüder, die ihr eigenes Drehbuch verfilmen, müssen sich auf die Mechanik der Sensationsgeilheit verlassen, und machen damit das einzig Richtige. Ohne die Figur des Magiers Charmicheal Haig (James Bliss) würde der Film nicht funktionieren. Er stellt jedes Geschehen live in Frage und führt sogar vor den Fernsehkameras eine spekatukläre Hypnose vor, die auch auf das Live-Publikum sowie die TV-Zuschauer übergreift. Sehen wir also wirklich ein reales Geschehen?

Der bittere Witz daran ist: Es spielt keine Rolle. Late Night with the Devil erzählt auf seine Weise von der Verführung der Unterhaltung und der Beschallung, die uns auch Unsinn glauben lässt – oder ihn achselzuckend hinnehmen lässt. Damit ist der Film ein Kind seiner Zeit, in der allerlei Hokuspokus durch die Medien geistert und von Menschen geglaubt wird. In der Medienschaffende keine Gewissensbisse haben, im Zeigen und Vorführen immer mehr Grenzen zu überschreiten, bis sich Wahrheit und Fiktion für viele überlagern.

Bitte mehr davon

Klug, clever, doppelbödig und mit einer bitteren Note Ironie in knapp über 90 Minuten mit in die Seventies, deren Stil und Mode uns heute vielleicht fremd vorkommen mögen – deren Herangehensweise sich von der heutigen kaum unterscheidet. Wer auf der Suche nach einem echten Slasher oder nervenzerfetzender Spannung ist, ist mit Late Night with the Devil falsch beraten. Late Night with the Devil ist mehr intelligente Unterhaltung mit Horror-Einschlag und in seiner Gänze so gelungen wie gallig. Bitte mehr davon.

Late Night with the Devil
USA 2024
Regie: Cameron Cairnes, Colin Cairnes
Mit: David Dastmalchian, Laura Gordon, Ian Bliss, Fayssal Bazzi, Ingrid Torelli, Rhys AuteriProduktion: Capelight
Länge: 93 Minuten
FSK: 16

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