Filmische Wunder haben einen Vor– und Nachteil: Sie sind erstaunliche, unvergessliche, besondere Werke, die sich einbrennen, sind aber auch oft (zunächst) unverstanden, verkannt, erfolglos. Natürlich ist es vermessen, Luc Bessons DogMan in einem Atemzug zu anfangs missverstandenen Klassikern wie Metropolis oder Blade Runner zu nennen – aber unverkennbar an DogMan ist der Mut, etwas Außergewöhnliches zu schaffen und dieser Prämisse treu zu bleiben.
Wegen der Mixtur aus Stilrichgungen ein großartiger Film
DogMan wurde zwar kein finanzieller Hit, ist aber einer dieser Filme, die elektrisieren. Was Luc Besson da abgeliefert hat, ist kaum angemessen in Worte zu fassen: Ein menschlich berührendes Melodram, gemischt mit Thriller-Elementen, Crime-Anleihen, Comedy-Elementen und Action-Zutaten. All das kann eigentlich nicht zusammenpassen, doch Besson gelingt dieser Spagat, wohl auch wegen eines famosen Hauptdarstellers: Caleb Landry Jones in der Rolle des besagten DogMan dürfte in diesem Film das haben, was man „die Rolle eines Lebens“ nennen kann. Er spielt sich als Douglas Munrow nicht nur die Seele aus dem Leib – er schafft es auch, den mitunter grotesk anmutenden Passagen und Wendungen Würde und Erhabenheit zu verleihen. Er nimmt Rolle und Film ebenso ernst wie Luc Besson selbst, der mit DogMan seinen zweiten Film nach dem gigantischen Flop Valerien und die Stadt der 1000 Planeten abgeliefert hat. Der Film hat nicht nur seine Filmfirma in den Bankrott getrieben, sondern auch sein Mastermind bescheidener gemacht. Für uns ist das eine gute Nachricht, denn Dogman ist gerade wegen seiner Mixtur an Stilrichtungen ein wirklich großartiger Film.
Gänsehautmomente und Mitgefühl
Besson ist ein Meister des Dynamik. Selbst ruhige Phasen seiner Filme vibrieren vor Energie, was Besson auch durch Rückblenden erzeugt. Ihm ist unverkennbar wichtig, die geschundene Seele in einem geschundenen Körper nachvollziehbar zu porträtieren – das ist auch nötig, denn sonst wäre die wohl erstaunlichste Sequenz des Films in Lächerlichkeit kollabiert: Wenn Douglas, als Edith Piaf geschminkt und gekleidet, mithilfe von stählernen Gehhilfen in einem Club auf er Bühne steht und singt, ist das dank der sorgsamen Charakterisierung und der Schauspielkunst Landrys wirklich großes Kino und ein echter Gänsehautmoment. Erinnerungen werden wach den großen Moment in Bessons Science-Fiction-Klassiker Das fünfte Element, als die Alien-Sopranistin vor beeindruckender Kulisse ihren magischen Gesang erklingen lässt. Besson dürfte das beabsichtigt haben.
Man verzeiht dem Film den Clash der Genres schon deshalb, weil man mit der Hauptfigur mitfühlt. Gerade das Gefühl ist es, das auch das Publikum antreibt, dem teils bizarr anmutenden Geschehen gebannt treu zu bleiben. Besson zieht uns mit magischem Realismus gekonnt auf Douglas’ und seine eigene Seite. Wenn wir sehen, wie die Hunde in Douglas’ Strategie funktionieren, ist die Realität längst aus den Angeln gehoben, und das ist gut so! Es ist eine Freude, im letzten Drittel des Films all den Hunden zuzuschauen, wie sie die erstaunlichsten Aufgaben erfüllen.
Tieftraurig, melancholisch und voller Mitgefühl
In DogMan gehen Genie und Wahnsinn ineinander über, geben sich Comedy, düsteres Drama und Action in Eintracht die Hand. Jones’ Performance ist sagenhaft. Dass er zu Hohem berufen ist, zeigte er schon in seiner viel beachteten Nebenrolle in Three Billboards in Ebbing, Missouri oder mit seiner Hauptrolle in Nitram, für die er 2021 den Darstellerpreis beim Filmfestial von Cannes gewann. Sein Schauspiel zeigt in DogMan eine komplexe, vielschichtigen Charakter, in dem sich Trauma und Lebenswillen, Gewalt und Verletzlichkeit gleichermaßen zeigen. Diese Leistung zu sehen, ist ein wirkliches Erlebnis.
Wie in anderen Filmen vorher, vertraut Besson auch diesmal auf seinen „Hauskomponisten“ Eric Serra. Der steuert auch in DogMan einen Score bei, den man in Hollywood-Produktionen nie erwarten darf.
Unterstützt wird der Film von einer hervorragenden Kameraarbeit sowie einer Ausstattung, die dem Film Realismus, Tiefe und Greifbarkeit verlieht.
DogMan ist trotz aller Besonderheit und skurriler Momente ein tieftrauriger, melancholischer Film über einen traumatisierten Außenseiter und seinem unbedingten Lebenswillen. Das muss man erst einmal schaffen: Einen derart entgrenzten, eigenwilligen Film auf die Beine zu stellen und ihn für ein mitfühlendes Publikum spannend zu machen. Besson ist dieses Kunststück gelungen. Und Jones hat vermutlich die Rolle seines Lebens gespielt.
DogMan
F/USA 2023
Regie: Luc Besson
Mit: Caleb Landry Jones, Jojo T. Gibbs, Christopher Denham, Clemens Schick
Verleih: Capelight
FSK: 16
Länge: 115 Minuten