Filmkritik A Quiet Place: Tag Eins

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Aus einer guten Idee eines auch finanziell einträglichen Films eine Vorgeschichte zu basteln, geht häufig schief. Entweder hat sich die Idee abgenutzt, oder ein softer Neustart geht in die falsche Richtung. Glücklicherweise ist A Quiet Place: Tag Eins ein starker Film geworden, der beides gut ausbalanciert: Eine Idee weiterführen, ohne sie abzunutzen, sowie schlüssig neu zu starten. Das Geheimnis: Eine eigene, markante Handschrift und starke Figuren mit Präsenz und Charisma.

Das Drama im Horror

Die bereits existierenden Filme der Reihe fesselten mit einem erfrischenden Ansatz sowie dem menschlichen Drama in einer Welt, die aus den Fugen geraten ist. Ohne die Familie Abbott, ihrem Zusammenhalt und Zusammenleben wären die beiden Filme nie zu dem geworden, was sie sind. 

A Quiet Place: Tag Eins bleibt diesen Stärken treu. Drehbuchautor und Regisseur Michael Sarnoski, der John Krasinski dieses Mal ablöst, gelingt das Drama der Menschen in subjektiven Blickwinkeln sowie den zahlreichen Nahaufnahmen der Gesichter. 

A Quiet Place: Tag Eins stellt konsequent die Menschen und ihr Drama in den Vordergrund, und das ist gut so. Sarnoski führt die Figuren schlüssig ein, gibt ihnen auf begrenztem Raum erstaunlich viel Tiefe und setzt auf Szenen, in denen seine hervorragenden Darsteller ihr Können unter Beweis stellen können.

Ein Film der Gegensätze

Wie begleiten die todkranke Samira (Lupita Nyong’o) nach Manhattan, als das Unheil seinen Lauf nimmt, und Eric (Joseph Quinn), der sich ihr anschließt. Mit der Katze Frodo ergeben sie ein Trio, das zwei unterschiedliche Ziele hat: Während Eric überleben möchte, möchte Samira, die bald an Krebs sterben wird, nur noch eine Pizza in Patsy’s Pizzeria in Harlem essen. Während der eine noch sein Leben vor sich hat, möchte die andere sich nur noch einen letzten Wunsch erfüllen. Erik müsste nach Süden, um sich zu rettenden Schiffen durchzukämpfen – die Aliens können nicht schwimmen – Samira jedoch zieht es nach Norden. Sie, die schwarze People of Colour aus den USA, er, der weiße Mann aus England.

Ausgerechnet die zum Sterben verurteilte Samira entpuppt sich zur verbissenen Kämpferin ums Überleben, um ihren letzten Wunsch noch zu erreichen. Dass Eric sich dazu entschließt, sie dabei zu begleiten, obwohl er einfach weiterziehen könnte, ist emotionales Herzstück des Films. 

Ihre Gegensätzlichkeiten sind wunderbare Prämissen. Vor allem passen sie zum Konzept dieses Films der Gegensätze. 

Lernten wir in den beiden ersten Teilen eine Welt in Stille kennen, springen wir nun zu Beginn des Films an den Anfang und damit in den Lärm. New York pulsiert, Millionen Menschen leben hier, die Stadt gilt weltweit als Inbegriff eines Schmelztiegels an Kulturen, Kultur und Kommerz. 

Regisseur Sanorski nutzt die erste Viertelstunde, um die ersten Figuren vorzustellen und einen Anlass zu liefern, nach Manhattan zu fahren – dann stürzen die Meteore herab und mit ihnen die Aliens. Michael Sanorski gelingen glänzende Szenen voller Chaos und Grauen. Dabei bleibt er möglichst nah am Geschehen und lässt die Angriffe sowie die Panik fühlbar werden.

Gegensätze gibt es auch beim Sound. A Quiet Place: Tag Eins hat ein fantastisches Sound-Design. Bei den Angriffen kracht es gewaltig von allen Seiten, je nach Kinoausstattung auch von oben. Beeindruckend werden diese Tonattacken auch, wenn die Welt bereits still geworden ist. Laute Szenen lassen die Welt förmlich explodieren, bei leisen Szenen sind die Effekte effektiv. 

Die Furcht vor dem Unbekannten

Erfreulich auch: A Quiet Place: Tag Eins beginnt nicht, die Aliens zu erklären. Der Terror vor dem Unbekannten und Unberechenbaren ist und bleibt existenziell in der Filmreihe. Da die Aliens mit Meteoriten auf die Erde krachten, kann vieles möglich sein: Dass sie Tiere sind, die in den Meteoriten eingeschlossen waren. Die Invasion könnte also ungeplant und zufällig erfolgt sein. Die Aliens benehmen sich auch eher wie Tiere denn als intelligente Wesen mit ausgeprägter Sozialstruktur. Auch scheinen sie nach bisherigem Kenntnisstand keine fortgeschrittene Sprache zu haben.

Hier hätte A Quiet Place: Tag Eins den Fehler begehen können, all das zu erklären und dem namenlosen, gesichtslosen und eben dadurch unberechenbaren Terror den Schrecken zu nennen. Die Fremden zerstören zwar nicht die Erde und rotten auch nicht die Menschheit im Ganzen aus – aber sie zerstören unsere Gesellschaften. Sie berauben die Menschheit zwar nicht der Kommunikation an sich, wohl aber der Art der gewohnten Kommunikation. 

Wenn Menschenmassen vor diesen unbekannten Angreifern durch die Straßen von New York fliehen, kann man sich an die schrecklichen Bilder von 9/11 erinnert fühlen. New York, so zeigt sich hier, ist und bleibt verwundbar, wie alle Weltstädte. Das Unbekannte aus dem All fügt neue Variablen hinzu, die den Ausgang für alle Beteiligten – auch uns – unkalkulierbar machen. Von dieser Bedrohung lebt der Film und macht ihn so ungemütlich.

Friede und Hoffnung

So erstaunlich es klingen mag: In A Quiet Place: Tag Eins geht um Hoffnung, und wie man sie erreichen kann. 

Immer wieder führt uns der Film an stille Plätze, lässt uns sehen, was verloren ging: Die eigene Wohnung, eine Bar, in der der Vater Klavier spielte. Wir wandern mit Samira und Eric durch ein Leben, das vorbei ist, das aber in gewisser Weise noch da ist. Diese stillen, berührenden Szenen sind es, die dem Film den nötigen Tiefgang geben. Die Sehnsucht nach dem ungestörten Leben zuvor ist eine starke Motivation. 

Hofft Samira auf ihre Pizza und Eric auf ein Überleben, sehen wir die Schiffe, die Flüchtende in Sicherheit bringt. Dass die Menschheit überleben wird, wissen wir bereits aus den beiden ersten Teilen. Das Leben geht irgendwie weiter. Samira findet auf sehr berührende Weise Ruhe und Frieden, und zwar auf selbstbestimmte Weise. Sie hat durch den Einfall der Aliens ihr Leben und ihre Lebenskraft wiedergefunden und damit auch ihre Selbstbestimmung. Mehr kann ein Mensch, vor allem in ihrer Lage, nicht erreichen.

Bereits das Startwochenende in den USA machte deutlich, dass A Quiet Place: Tag Eins ein großer Erfolg werden wird. Das ist insofern nötig, dass der Film mit 69 Millionen Dollar Budget das Vielfache der Vorgänger gekostet hat. Für einen normalen Horrorfilm wäre ein solch hohes Budget Wahnsinn, doch die Filme sind bislang noch eine sichere Bank. 

Der Erfolg des Films, die vielen guten Kritiken und die vielen losen Fäden, die die Filme uns bisher hinterlassen haben, werde sicher dazu führen, dass wir künftig mit neuen Filmen rechnen können. In diesem Fall muss man wirklich sagen: Na hoffentlich!

A Quiet Place: Tag Eins
USA 2024
Regie: Michael Sarnoski
Mit: Lupita Nyong’o, Joseph Quinn, Alex Woolf, Djimon Hounsou

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