Filmkritik Furiosa: A Mad Max Saga

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Brauchen wir noch ein Prequel? Fügt Furiosa: A Mad Max Saga der Erzählung rund um die apokalyptische Welt von Mad Max Bedeutendes hinzu? Findet er seinen eigenen Dreh wie sein Vorgänger Mad Max: Fury Road?

Ja, ja und ja. Dass Furiosa nicht den Versuch unternimmt, das mit 6 Oscars ausgezeichnete Vorgängerwerk Mad Max: Fury Road zu übertreffen, ist die richtige Entscheidung. Denn stattdessen entwickelt er eine eigene Handschrift mit satirischem Humor, gerade im ersten Drittel mit deutlich mehr Handlung und mehr differenzierter Tragik. In den Action-Sequenzen liefert Regisseur George Miller wie gewohnt ein hochklassiges Spektakel auf höchstem handwerklichen Niveau, das auf die Leinwand gehört und das dem gefeierten Fury Road in nichts nachsteht.

Mehr Erzählung, mehr Tiefe, mehr Einblick

Die Mad-Max-Reihe war bislang geprägt von einem griffigen Story-Gerüst, das „Show, don’t tell“ zur Kunstform erhob. Die Hauptsache waren spektakuläre, atemberaubende Actionsequenzen, die zum Maßstab wurden für alles, was danach kam. Die grimmige Grundstimmung einer Welt aus den Fugen, die ihre Zivilisiertheit an eine Welt des Wahnsinns und der Gewalt verlor, reichte aus, um die Mad-Max-Filme auch mit nur kurzen Szenen eine menschliche Ebene zu verleihen. Das war stets meisterhaft, denn natürlich erzählten die Mad-Max-Filme keine sinn– und konzeptlose Gewaltphantasien. Das zeigte sich auch im dritten Teil der Reihe, Mad Max – Jenseits der Donnerkuppel, erst recht in Mad Max: Fury Road.

Und doch erzählt Furiosa: A Mad Max Saga deutlich mehr und gibt uns mehr Einblick in die Mythologie der Reihe sowie die Welt und ihre Menschen an sich. Das erklärt auch die stattliche Laufzeit von knapp 2,5 Stunden, der längsten der Reihe. Hinzu kommt ebenfalls ein deutlich gestiegener Anteil an satirischen Elementen, eigenwilligem Humor und Tragik, die Hand in Hand gehen.

Furiosa geht den bereits im Vorgänger Mad Max: Fury Road eingeschlagenen Weg zu mehr Differenzierung und Tragik konsequent weiter. Wie schon im ersten Teil von 1979 sehen wir noch die Welt, die verloren gehen wird, das Sehnsuchtsmotto ist damit außergewöhnlich stark. Wir gönnen es allen, dorthin wieder zurückbekommen. Furiosa ist eine tragische Figur, die mehr von ihren Verlusten und Sehnsüchten nach Rückkehr als von ihrer Umwelt geprägt wird. Im Gegensatz zu allen anderen kann sie auf alles pfeifen, was ihr geboten wird – und was ist das schon?

Die sozialen Gebilde sind geprägt von selbsternannten Despoten, die sich mit einem quasi-religiösen Nimbus umgeben und einem Hofstaat erstaunlich verrückter Männer, die nur eines wollen: Ihre Macht behalten. 

Furiosa gibt uns mehr Einblick in diese anarchischen Gesellschaften – und bietet eine satirische Deutung gleich mit, die aktueller kaum sein könnte.

Furiosa als Hoffnungsträgerin

Dass Drehbuchautor und Regisseur Miller die Geschichte Furiosas zu seiner Arbeit an Fury Road gleich mitschrieb, merkt man. Die Story ist rund und passt ideal zu Fury Road. Ihre Vorgeschichte baut das Hoffnungsthema sinnvoll aus und verlieht der Saga auch deutlich mehr Tiefe. Das tut ihr gut. Anya Taylor-Joy ist als Furiosa famos: Gegen den Strich besetzt steht sie für Verletzlichkeit und Menschlichkeit, die sie sich auch in dem barbarischen Umfeld bewahren kann. Sie ist keine seelenlose Kämpferin, sondern handelt den Umständen entsprechend pragmatisch. 

Ihr Ziel ist ihre Herkunft: Ein Garten Eden, den es konkret gegeben hat, Miller nimmt uns zu Beginn des Films mit in diese grüne Oase, in der es eine wertebasierte Zivilisation zu existieren scheint. Hier sehen wir, wonach Furiosa in Fury Road strebt, wohin sie die Frauen retten möchte.

Ihre Hoffnung ist kein Hirngespinst, und sie überträgt ihre Hoffnung auf andere – ein starkes Motiv. In den letzten Szenen des Films sehen wir auch, wie Hoffnung keimt und sich in Fury Road überträgt. Der Kreis schließt sich.

Durchgeknallte Typen, Parodie und Nihilismus

Die Welt von Mad Max war immer erfüllt von durchgeknallten Typen. Sie waren ohne weiteren Kommentar böse, eben weil sie durchgeknallt waren. Wenn die Zivilisation schon zusammengebrochen ist, schlägt die Stunde verrückter, verrohter Männer, die mit marodierenden Horden Gewalt und Anarchie über den versprengen Rest der Menschheit bringen. Ihr Fetisch nach aufgemotzten Autos und Motorrädern ließ sich schon in Teil 1 und 2 als Parodie lesen. Anstatt sich um Lebensmittel und Wasser zu kümmern, kloppen sich hirnverbrannte Vollpfosten um Sprit und Öl – damit spielten sie schon von Beginn an die Rollen von Politikern wie Despoten, die falsche Prioritäten setzen. Diese Macho-Gesellschaft war schon immer lächerlich und diente nur schlichten Gemütern als positives Vorbild.

Eine Hintergrundgeschichte hatten sie nicht. Sie waren einfach überzeichnete Archetypen gewaltbereiter Arschlöcher, die sich wie Tiere in Horden zusammenrotten und einen starken Oberbekloppten als despotischen Anführer brauchten. Ihre Motivation: Sprit und Macht. So einfach, lächerlich und nihilistisch ist das: Denn in dieser Welt gibt es nichts mehr, um das es sich zu kämpfen lohnt. Kultur, Kunst, Kommerz wurden von blankem Nihilismus abgelöst, Hoffnung auf  besseres Leben die Gier nach dem nächsten Ölfass. 

Durchgeknallte Typen mit Geschichte

Furiosa geht nun den bereits im Vorgänger Mad Max: Fury Road eingeschlagenen Weg zu mehr Differenzierung und Tragik konsequent weiter. Wie schon im ersten Teil 1979 sehen wir noch die Welt, die verloren gehen wird. Das Sehnsuchtsmotto ist damit außergewöhnlich stark. Wir gönnen es allen, dorthin wieder zurückbekommen. Furiosa ist eine tragische Figur, die mehr von ihren Verlusten und Sehnsüchten nach Rückkehr als von ihrer Umwelt geprägt wird. Im Gegensatz zu allen anderen kann sie auf alles pfeifen, was ihr geboten wird.

Auch die Bösewichte werden greifbarer. Selbst Immortan Joe, der sich als Erlöser an der Macht hält und ein Heer an sklavisch ergebenen Gläubigen um sich schart, hat zumindest ansatzweise eine menschliche Vision: Gesunde Nachkommen zur Welt zu bringen, um daraus eine besser Zukunft aufzubauen. Außerdem kümmert er sich wie bereits in Fury Road um die strategische Versorgung mit Lebensmitteln und Wasser. 

Nun kommt mit Dementus (Chris Hemsworth) ein neuer Charakter hinzu: Mit langem Bart und weißer Robe ist er die clowneske Parodie eines Schmalspur-Messias. Er bringt überraschend viel Humor in die Mad-Max-Reihe, da seine Auftritte kaum ernstzunehmen sind. Das kann man allerdings auch von Donald Trump sagen, dessen Anhänger ihm dennoch ergeben ist. Hemsworth scheint das Spielen seines überdrehten Charakters sichtbar Spaß zu machen. 

Seine Albernheit jedoch wird später im Film immer mehr zur tragischen Fallhöhe, eine verzweifelte, hilflose Antwort auf die Zerstörtheit der Welt, an der er leidet. Er bekommt seinen Hintergrund aus Verlust, Schmerz und Verletzlichkeit. Aus einem Gegner Furiosas wird ein Charakter, der mit ihr mehr gemeinsam hat als wir ahnen. 

Brauchen wir also Prequels? Für Furiosa: A Mad Max Saga kann die Antwort nur heißen: Ja!

Furiosa: A Mad Max Saga
USA/Australien 2024
Regie: George Miller
Mit: Anya Taylor-Joy, Chris Hemsworth, Tom Burke, Alyla Browne
Studio: Warner Bros.
Länge: 148 Minuten
FSK: 16

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