Filmkritik Love Lies Bleeding

Filmkritik Love Lies Bleeding - https://der-filmgourmet.de

Ja, ein Film wie der Kritikerliebling Love Lies Bleeding hat noch gefehlt, denn er schließt eine der vielen Lücken unerzählter Geschichten, die erzählt werden müssen. Dabei sind es nicht die neuen Ideen als solche, die den Reiz dieses Films ausmachen, als vielmehr die Kombination gängiger Elemente zu etwas Neuem. Gepaart mit einer eigenen Handschrift gelingt Regisseurin Rose Glass mit Love Lies Bleeding ein sehenswertes, handwerklich hervorragend gemachtes Kinoabenteuer voller Melancholie und sensibel gezeigter Erotik.

Viele Genres in einem

Einen Neo-Western, der gleichzeitig eine 80er-Jahre-Retro-Hommage ist, sieht man selten. Love Lies Bleeding ist Thriller, Familiendrama, Komödie, Road Movie und queere Lovestory in einem. Alles zusammen funktioniert wunderbar.

Das Ganze wäre schon gut genug, wenn es wie in den meisten Fällen ein heterosexuelles Paar wäre, das im Zentrum der Geschichte steht. Doch Rose Glass fügt dem Ganzen eine queere Komponente hinzu und seien wir ehrlich: Geschichten mit einem lesbischen Paar erzählt so gut wie niemand. Und schon gar nicht in diesem Gewand! Man kann Glass gar nicht genug danken, dass sie uns damit verschont, die lesbische Liebe als etwas Merkwürdiges erklären oder – noch schlimmer – problematisieren zu wollen.

Kampf um Selbstbestimmungen auf allen Ebenen

Love Lies Bleeding erzählt von zwei Figuren, die gleich auf mehreren Ebenen nach Selbstbestimmung streben: Lou möchte ihren kriminellen Vater Lou Sr. (Ed Harris) hinter sich lassen und das Leben abschütteln, das sie mit ihm verbindet. Jacky möchte den Sieg in einem Bodybuilding-Wettbewerb davontragen. Beide sind Frauen in einer offensichtlichen Männerwelt und nehmen ihr Recht in Anspruch, ganz selbstverständlich in sogenannten „Männerdomänen“ Fuß zu fassen – weil der Ansatz von Männer– und Frauendomänen ein überholtes Klischee ist. 

Keine der beiden denkt je über die Besonderheit ihrer Liebe nach – weil der Ansatz von BEsonderheit einer queeren Liebe ebenfalls ein überholtes Klischee ist. 

Lou („Twilight“-Star Kristen Stewart) und Jacky (Katie O’Brian) sind typische Bewohnerinnen des ländlichen Amerika, gehören einer Klasse an, die weitgehend von der Politik vernachlässigt wird.

Rose Glass gibt ihnen in Love Lies Bleeding ein Gesicht mit Würde und Intelligenz. Ihre Liebe ist unmittelbar und ehrlich.

Auch das ist Amerika

Love Lies Bleeding zeigt uns ein Amerika, das nur selten auf der Kinoleinwand porträtiert wird – und schon gar nicht so. Dieses Amerika hat nichts von dem Glamour, den man gerne mit Amerika assoziiert. Es ist voller Ganoven, Gewalt und dysfunktionalen Familien, die den Alltag der Menschen prägen. Alles Verheißungsvolle ist weit weg. Hier, in dieser Einöde, ist wenig wirklich schön, schon gar nichts erstrebenswert. Wer hier lebt, schlägt sich eher durch und versucht, das Beste aus dem zu machen, was sich einem bietet. Das ist nicht viel, aber ist eben auch kein Grund, zu verzweifeln. 

Wir sehen ein anderes Bild von Amerika mit schäbigen Fitnessstudios und Schießständen. Es ist die Welt vieler Menschen zwischen den amerikanischen Küsten, von dem das Klischee sagt, hier sei alles maskulin konnotiert.

Und was sehen wir mittendrin: Zwei lesbische Frauen, die sich lieben, die ihren Platz in dieser Gesellschaft haben, ganz selbstverständlich angeblich „männliche“ Dinge tun und ihren Weg behaupten. Wir sehen das, was es nach der Meinung vieler so gar nicht geben kann. 

Der Fluch der großen Vergleiche

Kaum spielt ein Film häufig bei Nacht und man sieht Neon, kaum kommt es zu Morden oder Schießereien, ist der Vergleich zu Drive nicht weit. Kaum sterben Menschen und ein Paar lässt Leichen verschwinden, wird Natural Born Killers zitiert. Auch andere Genreklassiker werden angeführt, um einem ahnungslosen Publikum einen Hinweis zu geben, was man von diesem Film erwarten kann.

Natürlich adelt das den Film, zumal er den Vergleich gar nicht scheuen muss. Aber wird das dem Film gerecht? Fakt ist doch: Love Lies Bleeding kombiniert gängige Muster, um aus ihnen etwas Neues zu schaffen. Das gelingt Regisseuren Glass sehr gut. Sie hat einen lässigen, rauen und gleichzeitig zarten Film geschaffen, der Gegensätze einfach zu einem stimmigen Ganzen vereint. Love Lies Bleeding ist ein femistischer Film, ohne es behaupten oder problematisieren zu müssen. Wir sehen die Würde in sogenannten „einfachen Leuten“. Wir sehen, dass Leben da gelebt wird, wo man für gewöhnlich nicht hinsieht. Und dass Liebe so allgegenwärtig wie epochal ist. Daran ändert auch das leicht skurrile Finale nichts.

Love Lies Bleeding ist ein eigenständiges, sehenswertes Werk, an dem sich eher künftige Filme vergleichen lassen müssen als umgekehrt. A24, die rührige, einfallsreiche Produktionsfirma hinter so vielen einzigartigen Werken, hat dem reichen Schatz einen weiteren Film hinzugefügt, das bleiben wird. Und das zu Recht.

Love Lies Bleeding
USA 2023
Regie: Rose Glass:
Mit: Kristen Stewart, Katie O’Brian, Ed Harris, Dave Franco
Produktion: A24
Länge: 104 Minuten
FSK: 16
https://youtu.be/wGcHNM7K1QM

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert