Filmkritik The Father

Filmkritik The Father https:///der-filmgourmet.de

Wie sieht es in einem Leben aus, das in Einzelteile zerfällt? Das grandiose Filmdrama The Father macht genau das eindrucksvoll und äußerst kunstvoll spürbar. Atemberaubend gespielt von Anthony Hopkins und Olivia Colman, erschafft Regisseur Florian Zeller nach seinem eigenen Theaterstück ein mehr als beeindruckendes Drama, das gefangennimmt.

Wenn die Realität zerfällt

Mit dem Kunstgriff, nicht einfach eine Erzählung über Demenz zum Besten zu geben, sondern den Zerfall an sich erlebbar zu machen, ist größter Verdienst. Wir sehen Räume und Flure einer Upperclass-Wohnung, die von Intellekt, Kultiviertheit und Einkommen zeugen. Mitten in London, mitten im Leben also. Für uns als Publikum ist damit zunächst alles klar: Da sitzt der Rentner Anthony – umwerfend und völlig zu Recht mit einem Oscar ausgezeichnet Anthony Hopkins – in seiner augenscheinlich festen, sicheren, kontrollierten Bastion. Oder hat sich da plötzlich doch etwas in dieser Wohnung verschoben?

Als ihm seine Tochter Anne (Olivia Colman) mitteilt, mit ihrem Freund nach Paris zu ziehen, geraten immer mehr Dinge ins Rutschen. Erst sitzt ein fremder Mann in seiner Wohnung, später steht eine fremde Frau vor ihm und behauptet, seine Tochter zu sein. 

Wir merken: Hier zerfällt Realität auf so dramatische wie bittere Weise. Die von Anthony, aber auch unsere, denn wir können unserer eigenen Wahrnehmung und Erfahrung immer weniger trauen. Was wir sehen, erweist als unzuverlässig, denn immer wieder müssen wir uns fragen: Sah eben der Hintergrund nicht etwas anders aus? Standen die Dinge im Raum vor Kurzem nicht etwas anders?

Damit macht sich Beklemmung breit. The Father sperrt uns in diese geräumige, luxuriöse Wohnung ein, die zum Gefängnis wird.

Atemberaubendes, virtuoses Meisterstück

All das ist atemberaubend umgesetzt. Ohne je in thrillerhafte, vordergründige oder Triviale zu kippen, nimmt uns der Film mit steigender Spannung und Anspannung immer mehr in die Zange. Denn die Frage steht im Raum: Wie erklärt sich dieses Puzzle? So viel sei gesagt: Es wird geklärt, wenn wir am Ende die Perspektive wechseln und von außen auf das tragische Geschehen blicken.

Regisseur Florian Zeller inszenierte sein eigenes Theaterstück virtuos und mit hohem handwerklichen Können selbst. Getragen wird das mitreißende Kammerspiel von Anthony Hopkins in Bestform – wofür er zu Recht seinen zweiten Oscar als bester Hauptdarsteller erhielt. Auch wenn seine Rolle in The Father nicht an die ikonische Figur des legendären Hannibal Lecter heranreicht, begeistert Hopkins hier mit einer äußerst differenzierten, akzentuierten und in jeder Sekunde überwältigenden Schauspielkunst. 

Kurzum: The Father ist ein filmisches Ereignis. Hervorragend inszeniert und ausgestattet und großartig gespielt, beängstigend, still und zu Herzen gehend, ist The Father eine Erfahrung, die lange nachwirkt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert