Filmkritik Elvis

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Mit Elvis und Regisseur Baz Luhrmann treffen zwei Urgewalten aufeinander: Übervoll mit Energie, Ambition und selbstbewusstem Gestaltungswillen. Wo Luhrmann draufsteht, ist Luhrman drin. Das zeigt sich in Elvis jeder Sekunde an enormer inszenatorischer Wucht, explosiver Dynamik und dem Kunstgriff der künstlerischen Überhöhung. Das ist seine eigene Handschrift. Und eine Brise Größenwahn. Gerade der ist ein Segen: Elvis und Luhrman sind wie füreinander geschaffen. Luhrmann will seine Version auf Basis der historischen Tatsachen erzählen, kein klassisches Biopic. Und so ist Luhrmanns Elvis 2,5 Stunden mitreißendes Überwältigungskino für die Sinne.

Fast zehn Jahre nach seinem Hit Der große Gatsby ist Luhrmann mit Elvis erneut an eine Person geraten, deren opernhaftes, übermenschliches Leben die perfekte Vorlage für Luhrmann sind, eine übergroße Filmoper zu kreieren.

Und wieder sind die Zutaten da, für die Luhrmann so geliebt wird: Mitreißende Kameraarbeit, dynamische Schnitte, Musik als Gestaltungsmittel, Rhythmik, comichafte Übergänge. Alles ist erneut eine Spur larger than life – dabei bietet Elvis als Star und Persönlichkeit bereits genug Überlebensgröße.

Luhrmann aber eignet sich Figur und Historie an und formt etwas Eigenes daraus. Der Star Elvis dient ihm als Vorlage für die eigene Kunstfigur Elvis, die sich an historischen Fakten orientiert, aber ganz und gar Luhrmanns Elvis ist.

Witwe und Tochter von Elvis Presley sahen genau in diesem künstlerischen Zugang eine große Stärke des Films.
Und es stimmt ja auch: Luhrmann macht mit seiner künstlerischen Vision Elvis in den entscheidenden Punkten erleb– und erfahrbar.

Das zeigt sich in der umwerfenden Sequenz, in der der junge Elvis mit dem ersten Hören der schwarzen Musik in seinem Viertel ein regelrechtes Erweckungs– und Erleuchtungserlebnis erfährt, das ihn fortan prägen wird. Hier wird Elvis noch einmal geboren, und das ist phänomenal gemacht. 

Luhrmann vertraut ganz den Gesängen, der entfesselten Kamera, dem Schnitt, der Beleuchtung, der Farben. Luhrmann zeigt mit allen Elementen des Films, was Elvis ausmacht – ohne ein gesprochenes Wort als sinnliches Fest. Großartig!

Elvis erzählt in 2,5 Stunden mehrere Jahrzehnte. Dafür muss natürlich gerafft werden. Luhrmann nimmt sich zu Beginn noch Zeit, die Entdeckung von Presley ausführlich zu erzählen und deutlich zu zeigen, welches Phänomen er war und wie das Phänomen auf die damalige Zeit wirkte. Show, don’t tell at its best.

In der zweiten Hälfte drückt das Drehbuch auf die Tube, und das ist gut so: Einen Mythos zu erzählen ist optisch reizvoller als die Entmythifizierung. Elvis’ Fall ist als historisch verbürgte Tatsache allgemein bekannt, und Luhrman betätigt sich nicht darin, seinen zuvor gestalteten Mythos lächerlich oder bemitleidenswert zu machen. Er will, dass Elvis als Mythos in den Köpfen des Publikums weiterlebt, und das ist auch gut so.

Die Geschichte über Stars, die von Managern jahrzehntelang ausgebeutet werden, ihre Abhängigkeit von Drogen, Alkohol oder wie bei Elvis Medikamenten ist so gängig, dass sie für ein großes Kino, das Luhrman mit seinem Elvis erschaffen will, einfach zu generisch und austauschbar ist.

Luhrmann selbst sprach von einer 4-Stunden-Version, und es ist Elvis auch anzumerken, dass gerade die zweite Hälfte offensichtlich gerafft wurde. Doch verpassen wir wirklich etwas von Belang? Nichts an Elvis’ Absturz ist überlebensgroß. Hier ist alles nur noch tragisch, und das wäre ein anderer Film, dessen zweite Hälfte möglicherweise in einem zu großen Kontrast zur überwältigenden ersten Hälfte stünde.

Luhrmann tat gut daran, die Hauptrolle mit dem noch eher unbekannten Austin Butler zu besetzen – der übrigens in seiner Rolle als Elvis sensationell ist. Er ist ebenso eine Überraschung wie der damals völlig unbekannte Elvis, mit dem niemand gerechnet hat. Butler sieht dem historischen Elvis nur bedingt ähnlich, und auch das ist so ein typisches Luhrman-Ding. Er braucht einen eigenen Elvis für seine eigene Interpretation – das ist konsequent. Dafür ist Butler ein echter Volltreffer: Der junge Mime ist noch unverbraucht genug, um ganz in Luhrmanns Gestaltungswillen  aufzugehen. Format, Kunstfertigkeit und vor allem Energie hat er dazu jedenfalls genug.

Weltstar Tom Hanks, der in den letzten Jahren in keinem wirklich großen Erfolg und erinnernswerten Werk mehr mitgewirkt hat, ist nun endlich soweit, mit der Darstellung eines Unsympathen kein Risiko mehr einzugehen. Hanks hat dabei die Eigenschaft, auch Elvis’ Manager Colonel Tom Parker wie Tom Hanks erscheinen zu lassen. Wie übrigens jede Rolle der letzten Jahre. Hanks ist Hanks ist Hanks, da helfen auch die Masken nicht. Hanks fügt dem FIlm selbst nichts hinzu – weder im Guten, noch im Schlechten. Sein Charakter ist eigenschaftslos genug, dass man ihm nicht hängt. So gesehen eine undankbare Rolle, die Hanks mit seinem über Jahrzehnte gelernten Minenspiel absolviert, aber auch genauso gewollt: Seine Rolle muss hinter Elvis zurücktreten.

Natürlich ist Elvis, ganz Baz Luhrmann, ein Film, der visuell wie akustisch fürs große Kino konzipiert ist. Er gehört auf eine Leinwand und braucht die vernünftige Lautstärke eines Kinos. Wer also kann, genieße ihn im anständigen Kino. 

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