Filmkritik Persischstunden

Filmplakat Persischstunden - der-filmgourmet.de

Selten gelingt es einem Film, auf derart differenzierte Weise in die Natur des Bösen und dabei fesselnd und interessant zu sein wie dem sehenswerten Film Persischstundenund der den einen oder anderen Tabubruch parat hat. 

Da ist zum einen die originelle Geschichte von Persischstunden, die auf der Erzählung Die Erfindung einer Sprache von Wolfgang Kohlhaase basiert:

Der belgische Jude Gilles (Nahuel Pérez Bisccayart) erhält auf seinem Transport in ein Konzentrationslager ein persisches Buch, das ihm das Leben retten wird: Denn im Lager trifft er auf den deutschen Hauptsturmbandführer (Lars Eidinger), dessen Wunsch es ist, Persisch zu lernen, um später einmal ein deutsches Restaurant in Persien zu eröffnen. Kurzerhand gibt sich Gilles als Perser aus, ohne selbst ein Wort Persisch zu sprechen oder lesen zu können. Mit dem für alle Beteiligten unleserlichen Buch als Beweis, ergreift Gilles die Flucht nacht vorn und gibt dem Deutschen fortan Persischstunden. Dazu muss er eine eigene Sprache erfinden, die er dem Nazi gegenüber als Persisch ausgibt und muss dabei auf der Hut sein, sich nicht zu irren. Denn der kleinste Fehler könnte seinen Tod bedeuten.

So sehen wir zwei Menschen dabei zu, wie sie eine fiktive Sprache lernen und nehmen an dem Überlebenskampf eines Gefangenen in höchster Gefahr Anteil.

Das ist packend und spannend erzählt.

Neu an dieser Erzählung sind gleich mehrere Ansätze: Der Film provoziert beim Publikum immer wieder Sympathie für den naiven Nazi, so ahnungslos, ernsthaft und vertrauensselig wie er den Anweisungen seines Lehrers folgt und von einem besseren Leben träumt. Der Sturmbandführer ist hier menschlich, auch wenn er immer wieder deutlich als Ungeheuer porträtiert wird. Dabei gelingt die Balance, dass sich die Opferrollen nie verschieben – denn der Film nähert auch die Schadenfreude. Der Obersturmbandführer ist völlig ahnungslos – und selbst in Momenten, in denen er Zweifel hat und sich verraten fühlt, wird er von seinem Wunsch überwältigt, seinem Lehrer zu vertrauen, um von ihm zu lernen. 

Lars Eidinger spielt seine Rolle als hereingelegter Obersturmbandführer gewohnt nuanciert und differenziert. Die menschlichen, manchmal gerade zarten Momente nimmt man seiner ambivalenten Figur vollends ab – ohne in diesen Momenten keinen Zweifel daran zu lassen, dass darunter das Monster lauert. 

Der Argentinier Nahuel Pérez Bisccayart spielt seinen Gilles mit aller Kunstfertigkeit und komplett in Deutsch. Wir sehen an ihm die ständige Todesangst ebenso wie das manchmal aufblitzende Vergnügen, seinen Peiniger hereinzulegen. Dabei gelingen Persischstunden sogar lockere, nahezu amüsante Szenen.

Und dann ist da eine zweite, verstörende Geschichte im Film. Sie zeigt das deutsche Personal des Lagers bei ihren banalen Streitereien und Eifersüchteleien. Wir sehen Menschen in einem vermeintlich ganz normalen Alltag – das ist mutig, ohne Frage, aber für den Blick auf »das Böse« ungemein wichtig. Persischstunden wagt es, »ganz normale Leute« bei ihrer Arbeit und ihrem Alltag zuzusehen – der Film beantwortet die bange Frage nach der Monsterhaftigkeit der Täter erstaunlich lapidar.

Persischstunden, als russisch-deutsche Co-Produktion von Vadim Perelmann inszeniert, gewährt einen anderen, vielsagenden und notwendigen Blick auf Naziregime, Macht, Ungeheuerlichkeit und Intelligenz. 
Sehenswert.

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