Filmkritik The Menu

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The Menu ist angerichtet und es wird bitterböse in einer glänzend umgesetzten und sehenswerten Satire serviert. Mit dabei: Mehrere Gänge außergewöhnlicher Speisen, Kunstwerken gleich, die auch vom Schöpfer als Kunst verstanden werden sollen; ein außergewöhnlicher Rahmen sowie – mehr oder weniger als Hauptgang – eine Gruppe finanzkräftiger Gäste.

Wir ahnen schon, dass unter dieser Versuchsanordnung der Abgrund lauert. Denn wenn sich ein Film wie The Menu auf einen begrenzten Raum beschränkt, muss etwas Verborgenes sowie etwas in der Gruppe gären. 

Dieses Bild ist tatsächlich Programm, denn Meisterkoch Slowik (Ralph Fiennes) sowie seine unheilschwangere Mitarbeiterin Elsa (Hong Chau) lassen keine Gelegenheit aus zu betonen, dass auch die Gäste Teil einer Aufführung sind.

Apropos Aufführung: Der Film wird passend mit einem Orchester eingeleitet, das sich vor einer Aufführung kurz einstimmt. Das sollte auch uns, die wir den Film anschauen, ein Hinweis sein: Ja, wir werden jetzt eine Show erleben, und ja, auch wir sind Teil davon.

Denn The Menu ist eine Satire. Thriller, Horror, teilweise auch Komödie, ja, aber dennoch in erster Linie Satire. Satiren brauchen Publikum, um zu wirken, idealerweise gerade jenes, das sie aufs Korn nimmt. Und da offeriert The Menu ein reichhaltiges – nunja – Menü an Spitzen, Hieben und Schlägen. Da jeder Gast einen eigenen Hintergrund hat, ist die Chance hoch, dass jemand im Publikum getroffen wird. Der Maî­t­re selbst spricht davon, dass alles einem ausgeklügelten Plan folgt. 

Das trifft auch auf diesen exquisiten Film zu. Regisseur Mark Mylod fängt wie auch bei einem Menü langsam an und steigert sich zusehends. Damit gerade im ersten Filmdrittel kein Leerlauf entsteht, würzen Drehbuch und Regie das Geschehen mit der Charakterisierung der Gäste und dem Mysterium der Schar Küchenangestellter, die dem Maî­t­re ergeben sind und auf Kommando parieren.

Fiennes verleiht seinem Charakter eine gravitätische Aura, die nur Könnern von Fiennes‘ Format gelingt, ohne albern zu wirken. Sein Spiel fächert sich auf in ein – nunja – ganzes Menü an Motivationen und Eigenschaften, deren feine Nuancen bemerkt werden wollen.

Überhaupt ist die Riege an Schauspielerinnen und Schauspielern von ausgesuchter Qualität. Alle haben ihre Funktion, Tonart und Charakteristik, und Nicholas Hoult spielt seinen Part des ergebenen Schwätzers mit hinreißender Hingabe.

Die eigentliche Hauptperson indes ist dennoch Margot (Anya Taylor-Joy), eine Außenseiterin wie wir im Publikum, die eher in das Geschehen hineinschlittert und aus der emotionalen Distanz dem Treiben beiwohnt. Mit ihr machen wir uns gemein, denn auch wir sind hier schließlich Zuschauer, die hier hineingeschlittert sind, mit ihr versuchen wir, zu ergründen, was hier eigentlich vor sich geht und warum.

Sie wird gerade in der zweiten Hälfte auch zunehmend zur Handlungstreiberin. Vordergründig tappt der Film dann auch in so manches Thriller-Klischee … wobei: Heißt es nicht, dass an diesem Menü nichts zufällig ist? Und richtig: Kaum hat man mit einiger Enttäuschung eines der nicht sehr kunstvoll verarbeiteten Klischees entdeckt, muss man einräumen, sich geirrt zu haben. Denn alles hat hier seinen Sinn und Zweck. Der Maî­t­re möchte nicht umsonst von Margot wissen, wer sie eigentlich sei, um sie, die gar nicht in diesem Spiel eingeplant war, doch noch nachträglich sinnvoll in sein Konzept zu integrieren. 

Das ist alles brillant durchdacht und filmisch hervorragend umgesetzt. Auch das Ende ist in seiner Konsequenz nur konsequent. Dabei ergeben sich jenen, die den Trailer bereits gesehen haben, verblüffend wenig Wendungen. Das aber liegt ganz an uns, dem Publikum, selbst. Wir sind inzwischen derart an Twists und Unvorhersehbarkeiten gewöhnt, dass es zunächst schwer fallen mag, einer so gradlinigen wie überraschungsarmen Story zu folgen. 

Man kann dies als besonders doppelbödige Würzung des Menüs verstehen: Versprochen wird einem immer verwöhnterem Publikum die Erfüllung einer Erwartungshaltung, die dann prompt – wie im eigentlichen Menü innerhalb des Films selbst – nicht erfüllt wird.

Und so stehen wir am Ende als Publikum selbst angesprochen da, das nicht nur Speisen, sondern auch Filme und Geschichten nicht richtig zu schätzen weiß. 

Denn natürlich ist auch der Film als Medium und Kunstform von jenen bedroht, die am Ende über ihn urteilen. Von einer undankbaren, egoistischen Meute. 

Sehenswert.

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