Filmkritik: Ad Astra

Man kann es nicht mehr hören, so ausgeleiert und immer völlig falsch ist der Verweis auf 2001 – Odyssee im Weltraum von Stanley Kubrick, sobald ein Science-Fiction-Film wie Ad Astra es wagt, eine ernsthaftere, vielleicht auch philosophischere Geschichte zu erzählen als die Durchschnittsware. Man tut den Filmen damit keinen Gefallen und wird ihnen in keinster Weise gerecht. Der Vergleich mit 2001: Was soll das? Ad Astra ist ein eigenständiger Film, ein ausgesprochen guter sogar, mit visueller Wucht, technischer Opulenz, wissenschaftlicher Genauigkeit und – hört, hört! – emotionalem Kern, der keinen Vergleich nötig hat, und bei dem auch die Frage keinen Sinn ergibt, ob er gegen 2001 bestehen kann. Muss er nicht, denn Ad Astra ist in Dreiteufelsnamen ein anderer Film.

Aber ja, Ad Astra ist für ein Publikum gedacht, das mit Pausen, Stille und Langsamkeit umzugehen weiß und dies auch ausdrücklich schätzt. Ein Publikum, das sehen möchte, wie das Leben bzw. Reisen im All aussieht und sich in den Details verlieren möchte. So ist klar, dass Ad Astra trotz Zugpferd Brad Pitt mit einem Budget unter 100 Millionen und dem Anspruch gedreht wurde, keine Unsummen wieder einzuspielen. Natürlich kann man hier an den Meilenstein Gravitiy mit Sandra Bullock denken, der ebenso genau nach diesen Maßstäben produziert wurde und gigantische 700 Millionen wieder einspielte. Allerdings ist der Markt für solche Ausnahmeerscheinungen klein, und das ist eigentlich auch ganz gut so.

Ad Astra ist mehr Kammerspiel und Familiendrama als Space Opera, und dergleichen hat es vor allem auf diesem Niveau noch nicht gegeben. Hier gibt es keine Aliens und philosophischen Ansätze wie bei 2001, auch wird hier nicht der atemlose Überlebenskampf gezeigt wie in Gravity.

Gewissermaßen ist Ad Astra eine Art Familientherapie und Suche nach dem verlorenen Vater. Das klingt so einfach, wie es ist. Eben das macht Ad Astra auch zu einem so erstaunlichen Film. Ein Film, der sich traut, einen verletzlichen Mann zu zeigen, der ins Weltall aufbricht, um in der Distanz zur Erde nicht nur seinen Vater zu finden, sondern vor allem auch sich selbst. Erst in der Distanz kann er die Distanz zu seiner Umwelt überwinden und Nähe aufbauen. Das überzeugt nicht nur psychologisch, das ist für einen SF-Film vor allem dieser Größenordnung auch mutig. Als Identifikationsfigur taugt Pitts Figur des Astronauten Roy McBride nur dem, der sich traut, zu seiner Verletzlichkeit zu stehen. Das ist noch immer nicht einfach und auch nicht selbstverständlich. 

Auch in anderer Hinsicht macht Ad Astra Entscheidendes anders als andere Vertreter der SF: Er klammert einfach genau die Dinge aus, die man allgemein in einem SF-Film erwarten würde. Das ist nicht visionär wie 2001 oder Gravity, wohl aber mutig und wohltuend. Die SF selbst tritt eher in den Hintergrund der Erzählung, doch in der Beiläufigkeit des Lebens, Arbeitens und Reisens in dieser gezeigten Zukunft ist SF realistisch greifbar und erfahrbar. So und nicht anders könnte es wirklich zugehen. Wer an derlei Dingen interessiert ist, bekommt in Ad Astra dankenswerterweise Augenfutter en masse. 

Regisseur James Gray ist bekannt für Filme mit langsamerem Tempo und anderer Herangehensweise an Themen und Erzählungen. Mit Ad Astra hat er seinen ersten SF-Film gedreht, der trotz seines Settings in Raumschiffen und im All eben nicht um genretypischen Themen kreist und im Kern kein „richtiger“ SF-Film ist. Ad Astra ist ein Drama, das sich das SF-Genre wie einen Umhang überzieht und zur Tat schreitet – die selbst etwas anderes ist als SF. 

Ein wohltuender, erstaunlicher Film.

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