Filmkritik: Knives Out

Nicht gegen Spezialeffekte – aber trotzdem schön, wenn Ensemblefilme wie Knives Out auch ohne sie auskommen – es sei denn, man zählt erzählerische Kniffe zu Spezialeffekten. In dieser Hinsicht nämlich wäre Knives Out um Längen besser als zeitgenössische Special-Effects-Blockbuster. Da spielt es kaum eine Rolle, dass sich hier Stars die Klinke in die Hand geben und ihre gewohnten Rollen vergessen machen.

Clever, doppelbödig und mit überraschenden Wendungen unterhält der herrlich altmodische Film ganz hervorragend – und stellt mit seinem überraschenden Erfolg an den weltweiten Kinokassen klar: Der Bedarf an klug konstruierten Ensemblefilmen ist trotz Dauerbeschallung aus der Blockbuster-Ecke immer noch groß – oder gerade wieder wegen der Blockbuster entflammt.

Was um Himmels Willen versetzt die Massen denn bloß dermaßen in Verzückung?
Ganz einfach: Die Reduzierung auf die wesentlichen Zutaten Plot und Story. Denn in Knives out kann man sich nie sicher sein, wohin gerade die Reise geht.
Das fängt schon damit an, dass der Film recht schnell den eigentlichen Fall aufklärt, nämlich wie Harlan Thrombey (Christopher Plummer) zu Tode kam. Was in klassischen Agatha-Christie-Plots am Ende kommt, wird hier schon nch 30 Minuten abgefrühstückt. Erst jetzt geht einem auf, dass der Film etwas anderes erzählen will, nämlich die familiären Verwicklungen, die Finten, die ganzen kleinen und großen Lügen, die Verhaltensweisen. Da kommt es darauf an, genau hinzusehen und zuzuhören. Garniert wird das Ganze mit einem göttlich-beiläufigen Humor und einer ständig vorherrschenden Ironie.
Weder James-Bond-Darsteller Daniel Craig, noch Jamie Lee Curtis spielen ihre Figuren ohne Ironie. Vor allem Curtis macht ihre Rolle sichtlich Freude. Es macht einfach boshaften Spaß, dieser Familie, die man zwischendurch immer wieder Brut nennen möchte mit all ihren skurillen Mitgliedern, ihren Marotten und Vorhaben, beim Zerfleischen zuzusehen. Und wo bitte hat man je eine südamerikanische Krankenpflegerin gesehen, die sich übergeben muss, sobald jemand lügt, sie eingschlossen? Mit diesem absurden Drehbuchkniff werden Verhöre zum hämischen Vergnügen, das neben Schadenfreude auch immer wieder das Zusammenfallen angestellter Überlegungen bringt. Und Knives Out wäre nicht so brillant, wenn er etwas in der Hinterhand hätte. 

Als Zuschauer wird man recht schnell zum Komplizen gemacht. Durch die Verhöre weiß man immer mehr als die Verhörten selbst – allerdings auch nie genug, um das große Ganze zu erkennen. Das macht uns letztlich doch zu einem wenn auch besser Bescheid wissenden, aber ebenso ahnungslosen Mitglied der durchtriebenen Sippe, von der man im Grunde allen die Pest an den Hals wünscht. 

Mit Knives Out ist Regisseur und Drehbuchautor Rian Johnson nicht nur ein besonderer Glücksfall gelungen: Er macht damit auch selbstbewusst klar, was er kann und für was er steht, nachdem er mit Die letzten Jedi einen hoch umstrittenen Beitrag zur Star-Wars-Saga abgeliefert hat, der ihm viel Feinde unter den Star Wars-Fans einbrachte. Andere Regisseure hätten ihre Wunden geleckt, Johnson hingegen hat stattdessen recht schnell Nägel mit Köpfen gemacht und sich als der clevere Filmemacher empfohlen, der vor Star Wars bereits schon war: Mit Brick und Looper hatte er sich einen Namen gemacht, der ihn zu Star Wars brachte, mit Knives Out hat er ihn sich wieder zurückgeholt. Johnston, der mit Die letzten Jedi die Star-Wars-Verantwortlichen derart überzeugte, dass sie ihn mit der Entwicklung einer komplett neuen, eigenständigen Star-Wars-Trilogie beauftragt haben, hat pünkltich zu Knives Out verluaten lassen, dass er nicht sicher sei, ob es zu dieser Trilogie jemals komme. Hat er auch nicht nötig. Knives Out 2 ist bereits in Planung. 

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