Filmkritik Asteroid City

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Wes Anderson ist eine Marke für sich – das ist viel wert in Hollywood. Die Ästhetik seiner Filme ist derart unverwechselbar, dass sie inzwischen auch für Social-Media-Memes taugt – das ist unbezahlbar heutzutage. Und es ist eine implizite Warnung: Alle, die ähnliche Filme machen wollen wie Wes Anderson, machen sich zwangsläufig des Plagiats schuldig. So bleibt es an Wes Anderson, diese Filme zu machen. Mehr kann ein Regisseur kaum erreichen.
Mit Asteroid City findet das visuelle Genie zu einer Größe zurück, die das fahrig-zerrupfte und überkandidelte Chaos The French Dispatch vermissen ließ.

Star-Auflauf im Pastellrausch

Was sehen wir in Asteroid City? Zu allererst einen visuell so genialen wie eigenwilligen Rausch, bei dem es es gar nicht um die Geschichte geht, die erzählt wird. In diesem Fall ist das bester Budenzauber erster Güte, der immer ganz genau weiß, was er ist und was er sein will: Großes, buntes Theater mit enormem Star-Aufgebot in grell-künstlichen Pastell-Umgebungen, darunter Tom Hanks, Scarlett Johansson, Tilda Swinton. Sie alle aufzuzählen, würde den Rahmen sprengen.

Asteroid City schwebt wie die meisten Wes-Anderson-Filme über allen Dingen: Über den Konventionen, über dem Zeitgeist, über dem Massengeschmack – und ein wenig auch über der Filmkritik. Dieser Aberwitz macht in Asteroid City wieder besondere Freude. Und wie nahezu immer bei Andersons Filmen muss man sich fragen, warum die meisten seiner Filme all die Sympathie verdienen.

Eine tiefschürfende Geschichte erzählt Anderson im Grunde nie; dafür setzt er kalkulierten Witz auf mehreren Ebenen gleichzeitig ein. Das liegt schon daran, dass immer klar ist, dass hier eine Geschichte erzählt wird, die keinen Anspruch auf objektive Wahrheit erhebt.

Ein Film wie eine Matroshka-Puppe

Bryan Cranston gibt in Asteroid City den Erzähler, der die Geschichte eines Autors erzählt, der ein Theaterstück schreibt, das die Erzählung des eigentlichen Films ist. Die klassische Trennung zwischen Schauspieler und Rolle wird aufgehoben, da jeder Schauspieler als Schauspieler gezeigt wird, der eine Rolle im Theaterstück spielt – eine Art von Matroschka-Puppen also.

Dem trägt auch die typische Anderson-Optik Rechnung: Die offensichtlichen Kulissen sollen als genau das zu erkennen sein, die Farbgebung ist unnatürlich satt, die Bilder stets streng symmetrisch, was das Treiben und die Figuren noch schräger erscheinen lässt.

Der Bildaufbau ist gewohnt gestaffelt und nahezu dreidimensional, die Handlung vollzieht sich in Vordergrund, Mittelfeld und Hintergrund gleichzeitig. Da komm es vor, dass während eines Dialogs im Vordergrund am Bildrand im Hintergrund ein Apartment gesaugt wird. Nie kann sich das Auge an den einzelnen Szenen mit all den Details auf allen Bildebenen sattsehen. Alles ist extrem ausgeleuchtet, alles ist gleich scharf. Die Kamera zeigt in langen Einstellungen alles, schwenkt mal nach links, mal nach rechts, schwebt seitlich durch das Geschehen.

Es macht Vergnügen, dem skurrilen Treiben von Asteroid City zuzusehen.
All das zeigt: Hier ist alles nur Fassade. In sich geschlossen ist dabei lediglich die Hauptstory des Stücks Asteroid City selbst. Über die Hintergründe der Theaterproduktion und deren Schauspieler erfahren wir indes in bruchstückhafter Erzählung nur wenig.
So ist auch die Erzählung des Aliens nicht eine Erzählung, die uns weismachen will, dass ein Alien landet, sondern lediglich die Erzählung einer Erzählung, in der ein Alien landet – Science Fiction sieht anders aus.
Immer wieder kommt es zu Brüchen – etwa, als Cranstons Erzählerfigur plötzlich von links ins Bild der Erzählung von Asteroid City stapft und merkt, dass er in dieser Erzählebene nichts zu suchen hat.

Das alles ist sogar noch schräger, als es klingt. Dabei ist der Film in all seiner permanenten absurden Komik majestätisch ruhig und aufgeräumt.

Wozu das Ganze?

Warum macht Anderson so etwas eigentlich? Wie sähe der Film ohne diese Staffelung aus? Die Antwort ist einfach: Darum geht es nicht. Vielmehr geht es darum, wie erzählt und was gezeigt wird. Andersons Kunst liegt im Untergründigen, und man darf spekulieren, ob sein Asteroid City eine satirische Aufarbeitung der US-amerikanischen ufo-gläubigen 50er-Jahre-Ära ist, oder ob wir hier einen satirischen Blick auf die Art der Aufarbeitung jener Zeit zu sehen bekommen.
Oder führt er uns einfach damit an der Nase herum?
Und will uns der Blick hinter die Theaterkulissen mehr sagen, als einfach nur ein gekonntes Erzählen zu sein?
Am Ende ist es ganz egal, denn wir haben es mit einem sehr deutlich als solches erklärten Kunstgebilde zu tun. Von der hohen Güte wie Asteroid City ist das mehr als genug.

Asteroid City
USA 2022
Regie: Wes Anderson
Mit: Jason Schwartzman, Scarlett Johansson, Tom Hanks, Jeffrey Wright, Bryan Cranston, Edward Norton
Länge: 105 Minuten
FSK: ab 12

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