Filmkritik Don’t Look Up

Don't Look Up Filmplakat - der-filmgourmet.de

Gleich vorweg: Die bissige und beißende Satire Don‘t Look Up ist fraglos der Film der Stunde. Im Dezember 2021 nach kurzer Kinoauswertung auf Netflix veröffentlicht, fasst dieser geniale, enorm unterhaltsame und höchstkarätig besetzte satirische Rundumschlag den Irrsinn der letzten Jahre ideal zusammen. Don‘t Look Up nimmt dabei alle aufs Korn: Die Politik, die gesellschaftliche Strömung der Faktenverleugner, den Populismus, die Medien, pöbelnde Pop-Sternchen und Tech-Miiliadäre, Verfassern von Hass-Memes in sozialen Kanälen, aber eben auch „die Gesellschaft«, die freiwillig mit Kusshand immer mehr verblödet. Was der Film zeigt, ist ein absurder, aber eben auch erschreckend realistischer Mahlstrom des um sich greifenden Wahnsinns, der ganze Gesellschaften befällt, und gegen den kein Kraut gewachsen ist.  Don‘t Look Up legt eindrucksvoll den Fokus auf die gefährliche Inkohärenz von Wahrheit und Wirklichkeit – zwei Dinge, die eigentlich deckungsgleich sein sollten, aber längst nicht mehr sind. Die Schauspielerriege ist dabei enorm: Leonardo DiCaprio, Jennifer Lawrence, Meryl Streep, Cate Blanchett, Jonah Hill, Timothée Chalamet, Mark Rylance, Ron Perlman. Und alle haben sichtlich Freude an ihren Rollen. 

140 Minuten lang sehen wir Dr. Randall Mindy (DiCaprio ) und der Doktorantin Kate Dibiasky (Lawrence) dabei zu, wie sie an um sich greifender Ignoranz und allgemeinem Wahnsinn einer spaß- und unterhaltungsgeilen Gesellschaft verzweifeln, der Fakten völlig egal ist. Sie und Dr. Teddy Oglethorpe (Rob Morgan) sind die einzigen Menschen mit normalem Menschenverstand – einzig: Es nützt ihnen nichts. Die Deutungshoheit über Fakten haben stets jene, die die Fakten für ihr Eigeninteresse entweder verleugnen, übersehen, verharmlosen oder nach Bedarf umdeuten. Fakten sind hier noch noch Vorwand zur Argumentation, die verbogen oder verborgen werden können. Bei einer Masse, die bereit dazu ist und für den persönlichen Vorteil auch falsche Behauptungen zu glauben, ist der Ruf der Wissenschaft machtlos. 

Dabei ist der Fall sonnenklar und alles andere als spaßig: Immerhin versuchen sie, die Menschen darüber aufzuklären, dass ein Meteorit in sechs Monaten das Leben auf der Erde auslöschen wird. Nur wen juckt‘s? Weder die mit ihren Beliebtheitswerten der anstehenden Vorwahlen beschäftigte Präsidentin Orlean (Streep), für die Politik nichts als ein egoistisches Spielchen ist, noch ihrem verblödeten Sohn, der gleichzeitig ihr Stabschef ist (Hill), noch das Moderatorengespann einer Nachrichtensendung Brie Evantee (Blanchett) und Jack Bremmer (Tyler Perry), die Fakten und Zusammenhänge ausblenden, weil sie nicht unterhaltend sind, noch den seltsamen Tech-Miliardär, der von der Rettung der Menschheit durch die eigene Technologie faselt und schließlich den Meteoriten einsammeln möchte, um ihn zu Geld zu machen. Und „die Leute“? Die schon gar nicht – schließlich ist die Trennung zweier Popstars und ihre Versöhnung wichtiger. 

Dabei geht es auch um Kommunikation im Medienzeitalter und die Wandlung der Sprache. Gnadenlos zeigt der Film die zerstörerische Kraft sozialer Medien, die unbequeme Fakten unter einem Wust beleidigender Memes begräbt. Als erst Dibiasky und schließlich Mindy live im TV explodieren, widerfährt ihnen vor allem Ablehnung. Offene Worte sind unschön und passen nicht in die gelackte Welt der Falschheit, da ist es leichter, Menschen öffentlich zum Gespött der Leute zu machen. 


Das alles ist ein ungemein unterhaltsamer, böser Spaß. Regisseur und Drehbuchautor Adam McKay hat schon mit Vice und The Big Short gezeigt, wie man geniale, intelligente Satire für das große Publikum macht. Und obwohl er in Don‘t Look Up eine weltweite, also allgemein gültige Tendenz zeigt, zielt er natürlich vor allem auf das – Entschuldigung – Kernland des entfesselten, um sich greifenden Wahnsinns, die USA. Wir sehen ins Absurde gebleichte überkronte Zahnreihen blitzen, unter Tonnen Make-up verdeckte, in höchste Künstlichkeit geliftete Gesichter, eine populistische Präsidentin, die mit ihrem unfähigen wie arroganten Söhnchen und Stabschef auf Land und Wahlvolk scheißt und für die Politik einfach nur ein Spielfeld für persönliche Interessen ist. Meryl Streep blüht in ihrer Präsidentinnen-Rolle spürbar auf und scheint sich über jede Sekunde zu freuen, die sie ein populistisches Arschloch spielen darf. Cate Blanchett ist als oberflächliches Moderatorinnenmonster mit blitzender Zahnreihe und Lifting-Albtraum kaum wiederzuerkennen, und Jonah Hill möchte man als Sohn und Stabschef jede Sekunde eins überziehen. 

Wenn also am Ende der Meteor tatsächlich auf der Erde einschlägt und die Menschheit ausrottet, möchte man dieser Menschheit ihr Schicksal gönnen.

Klar: Subtil ist das nicht. Das Drehbuch lässt auch für Differenzierung keinen Raum. Hier sind einfach alle gleichsam bekloppt, und fertig ist der Lack. Das wirkt in der Tat polarisierend und wird vielen sicher auf die Füße treten. Allerdings ist es auch nicht die Aufgabe von Satire, sonderlich zimperlich zu sein.

Dafür macht Don‘t Look Up geradezu erschreckend viel Spaß – wäre es nicht so traurig, dass die Welt seit Beginn der Dreharbeiten 2020 noch ein bedrohliches Stück bekloppter geworden ist. Denn ursprünglich hatte Don‘t Look Up die Leugnung von Wissenschaft und Klimawandel zum Thema – dass durch die Corona-Pandemie die Absurdität des Alltags die satirischen Spotzen des Films tatsächlich eingeholt hat, war weder vorgesehen, noch abzusehen. Mit seinem Erscheinen im Dezember 2021 hat Don‘t Look Up nun allerdings einen neuen Kontext und wirkt dadurch sowohl bösartiger als auch erschreckender.

Ein Highlight. 

Don’t Look Up
USA 2021
Regie: Adam McKay
Mit: Leonardo diCaprio, Jennifer Lawrence, Meryl Streep, Cate Blanchett, Jonah Hill, Timothée Chalamet, Mark Rylance, Ron Perlman
140 Minuten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert