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Was haben wir von Dune erwartet, den Denis Villeneuve als erste Hälfte eines geplanten Zweiteilers inszeniert hat – einen großen Film? Bitte sehr, da ist er: Villeneuves Dune ist groß, episch, eine donnernde Weltraum-Oper für Erwachsene voller Tragik und großen Momenten. Und dann diese Bilder! Jedes einzelne setzt der literarischen Vorlage von Frank Herbert ein Denkmal. Richtig so. Dass dieser Dune erst einmal nur die erste Hälfte des über 600-Seiten starken Romans erzählt: Richtig so. Villeneuves Dune nimmt sich 2,5 Stunden Zeit für Bombast, Panoramen, Totalen. Der Film hat viel zu zeigen und schwelgt im eigenen Schauwert. Das Erzähltempo ist gemächlich, damit die einzelnen Szenen atmen können, und das ist eine weise Entscheidung.

In diesem Film entfaltet sich ein ganz eigenes Weltenpanorama, das uns so bekannt vorkommt mit diesen Wüsten, diesen Anklängen an den Islam, all den Gerätschaften mit ihren analogen Knöpfen und Schaltern, dass man fast vergessen kann, in einem Science-Fiction-Epos zu sitzen. Denn genau das ist dieser Film: Ein Epos, das jede Minute den Geist des Großen atmet. Damit können auch diejenigen etwas anfangen, die das Science-Fiction-Genre sonst meiden. 

Denis Villeneuves Vorgängerfilm, das bildgewaltige Meisterstück Blade Runner 2049 brachte seinem Kameramann Robert Deakins den ersehnten Oscar – nun hat Villeneuve mit dem Australier Greig Fraser einen Mann gewählt, der zwar auch eine Oscar-Nominierung einfuhr, aber bei Weitem nicht so viel auf dem Kerbholz hat wie Deakins; der mit Dune allerdings atemberaubende Bilder findet und sich eindrucksvoll für große Aufgaben empfiehlt. Man kann sich schwer entscheiden, ob es große Bühnen sind oder gewaltige Gemälde. In jedem Fall sind die Bilder immer mehr als einfach nur Bilder. Villeneuves Erzähltempo gibt der Optik Raum: Erdig, sandig, düster. Dune zelebriert die klassischen Elemente Erde, Wasser, Wind und Feuer. 

Selbst in den Szenen, in denen die Harkonnen Arrakis und damit das Haus Atreides angreifen, bleiben Bilder und Erzähltempo ganz bei sich. Da entfesselt sich die Wucht in der Größe des Kampfes, nicht in den hektischen Schnitten.

Getragen wird dies von einem Soundtrack, mit dem Altmeister Hans Zimmer sich einen Herzenswunsch erfüllt hat. Diese Musik verzahnt sich auf fast schon mystische Weise mit den Schauwerten. Zu wuchtigen Bildern donnert wuchtige Musik und vereint sich zu einer perfekten Symbiose von Bild und Ton.

All das wäre nur halb so viel wert, wären da nicht die hervorragenden Schauspieler. Allen voran natürlich Timthotée Chalamet, dieser maßlos talentierte Jungschauspieler, der nun mit Dune endgültig in den Olymp der großen Filmstars aufsteigen wird. Seine erste Oscar-Nominierung erhielt er schon mit 22 für Call me by your name. Damit ist er der jüngste Schauspieler seit 1940, der eine Oscar-Nominierung erhielt. Er spielt Drogenabhängige mit einer Intensität, die einem das Herz bricht wie in Beautiful Boy. Mit diesem enormem Talent porträtiert er nun Paul Atreides gewohnt souverän, in zahlreichen Szenen ist er einfach großartig – er schafft es, die Dualität in Paul zu zeigen: Ein schmächtiger, verletzlicher Junge mit schmalen Schultern, auf denen später die Regenschaft über das Haus Atreides lasten wird. Immer in Ausbildung und Training, immer im eigenen Leben  bedroht – und gleichzeitig intelligent, wissend, zielstrebig und ganz nebenbei der Kwisatz Haderach, jener seit Jahrhunderten durch Auslese gezüchteten Übermenschen, sowie der Erlöser für das Wüstenvolk der Fremen.

Schon Frank Herberts bedeutender Roman bohrte dicke Bretter. Wirft einen mitten hinein in eine absurd weit entfernte Zukunft, in der Planeten bevölkert und interplanetare Reisen alltäglich sind. Doch was wir hier vorfinden, scheint wie durch die Jahrhunderte aus Tradition und Erzählung bis ins Jahr 1965 geschleppt, als das Buch erschien. Adelshäuser kontrollieren Welten wie einst Regionen. Selbst deren Traditionen haben sich bewahrt. Und es gibt Intrigen, Kriege, Fehden. Herberts Erzählkosmos von Dune hat eine Jahrtausende während Geschichte, es gibt eine zweibändige Enzyklopädie, die Historie, Mythologie und Gesellschaftssyteme erläutert. Dune bezog schon immer seinen besonderen Reiz aus diesen Anachronismen, die auch David Lynch in seiner ersten Verfilmung des schwierigen Stoffes von 1984 beeindruckend zeigte. Lynch hat zumindest optisch große Fußstapfen hinterlassen, denn obwohl Lynchs Version aus verschiedenen Gründen nicht funktionierte und daher an Kritik und Kinokasse floppte, so schleuderte Lynch für ein wahres Vermögen eindrucksvoller Bilder auf die Leinwand.

Villeneuve pariert nicht nur, er sticht aus. Das liegt nicht nur am IMAX-Format und dem vorzüglich eingesetzten 3D. Es ist das Konzept, der Erzählrhythmus, die Struktur. Villeneuve weiß, was er will und bekommt es auch, dem Publikum zum Glück.

Der Regisseur hat entsetzt darauf reagiert, dass zumindest in den USA der Film kurz nach Kinostart bereits beim Streaming-Dienst HBO Max zu sehen sein wird. Er hat völlig recht damit, wenn er auf die Kinohaftigkeit seines Dune verweist, die auf dem Bildschirm nicht wirkt. Ja, sein Dune ist einer dieser Filme, die man nicht gesehen hat, wenn man sie nur auf dem Bildschirm gesehen hat. 

Was bleibt? Ein Sehnsuchtsfilm der Science-Fiction, der eine epische Geschichte noch nicht zu Ende erzählt und trotzdem eine runde Sache ist. Dune endet nicht einfach im Nichts und bietet dafür einen strukturell sinnvollen Abschluss. Das ist tröstlich, denn die Corona-Pandemie wirkt sich noch immer auf die Kinos und damit die Einspielergebnisse aus. Die aber sind bitter nötig: Ein Budget von 165 Millionen Dollar muss mindestens das Doppelte an den Kinokassen wieder einspielen. Dass ihm dies gelingt, dürfte sicher sein, auch wenn der Film in den USA erst 1,5 Monate nach Europa und einigen asiatischen Märkten gezeigt wird, und obwohl er in den USA auch im Streaming erscheint. Immerhin ist Dune für den Streamingdienst HBO Max ein Leuchtturm. Die Performance im Streaming wird also eine Rolle spielen bei der Entscheidung, ob die Geschichte des ersten Romans zu Ende erzählt werden darf.

So oder so ist Dune ein Erlebnis, das man gesehen haben sollte. Denn wenn wir von Dune einen großen Film erwartet haben:  Bitte sehr, da ist er.

2 Replies to “Filmkritik Dune”

  1. Sorry, Oliver, aber dieser Kaiser hat keine erzählerischen Kleider an. Er stirbt in einer, durchaus beeindruckenden, Schönheit. Logik, Glaubwürdigkeit? Wer braucht das schon.
    Richtig unverfroren wird es dann, wenn die Wüste des Wüstenplaneten kein bisschen lebensfeindlicher dargestellt wird als ein Tag am Strand. Da werden am helllichten Tage die Bäume gewässert, dauernd laufen die Leute ohne Kopfbedeckungherum, niemand schwitzt, niemand hat Durst, die Lebensfeindlichkeit wird nur behauptet. Man könne sich nur nachts draußen aufhalten, heißt es mal. Aber nahezu sämtliche Szenen spielen tagsüber.
    Nur behauptet übrigens auch die Bedeutung des Spice. Man brauche es für die Weltraumnavigatoren. Bloß spielt keiner mit, keine einzige Szene widmet sich der Bedeutung. Selbst die positiven Wirkungen auf die Fremen bleibt den Beweis schuldig. Von „Show, don’t tell“ hat Villeneuve offenbar noch nie gehört, was für einen Regisseur seines Kalibers schon peinlich ist.
    Es gibt so gut wie keine Szene, die logisch oder erzählerisch funktioniert oder glaubhaft ist. Aber bei diesem Film sollte man wohl nicht nachdenken. Ist ja leider der allgemeine Trend in der Branche. Und überall sonst …
    Schade, dass die berauschenden Bilder und die tolle Arbeit des Filmteams sich nicht auch im Erzählerischen wiederfinden durften.

    1. Hallo Stephan,
      manches von dem, was du schreibst, will ich gar nicht von der Hand weisen. Dass manche oft ohne Kopfbedeckungen herumlaufen, was im Gegensatz zu der Lebensfeindlichkeit steht, ist mir auch aufgefallen. Allerdings mache ich da das Zugeständnis, dass man sonst die Darsteller ja gar nicht erkennt. Übrigens hat Lynchs Version auch so eine Menge solcher Dinge drin. Das mit den Bäumen wurde zumindest erklärt. Dass niemand schwitzt dürfte daran liegen, dass alle draußen eben ihren Anzug tragen, der ja zum Auffangen des Schweißes dient.
      Und was das Spice angeht: Die eigentliche Bedeutung ist ja an die Sandwürmer gekoppelt, und die tauchen erst gegen Ende auf. Dass die Navigatoren – wie auch der Imperator übrigens – noch nicht auftauchen, ist mir auch aufgefallen, aber ich bin davon überzeugt, dass all diese durchaus relevanten Dinge im zweiten Teil eine größere Rolle spielen werden.

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