Filmkritik Zombie – Dawn Of The Dead

Zombie - Dawn ot the dead Filmplakat - der-filmgourmet.de

Wohl kaum ein Horrorfilm beschäftigte die deutschen Zensoren so sehr wie George A. Romeros Klassiker Dawn of the Dead von 1978 – ganze 36 Jahre lang war dieser Albtraum bundesdeutscher Jugendschützer hierzulande indiziert, ab 1991 sogar beschlagnahmt, was den Verkauf innerhalb Deutschlands unter Strafe stellte. Als 2019 die Beschlagnahme aufgehoben wurde, war das eine Sensation, und erst seit Dezember 2020 ist dieser Film überhaupt in Deutschland regulär ungekürzt erhältlich. Das befremdet gerade hinsichtlich der Bedeutung und Deutung des Films in anderen Ländern: Die weltweite Filmkritik sieht seit jeher ein bedeutendes Werk statt einen billigen, oberflächlichen Reißer, als der er vor allem in Deutschland galt. 

Das Problem: Die europäische Argento-Version

Was allerdings auch an dem Umstand liegen mag, dass Europa nie in den Genuss der originalen Version kam, die George A. Romero drehte – stattdessen musste man mit der abgeänderten Fassung vorlieb nehmen, die Horrormeister Dario Argento als Gegenleistung für sein beträchtliches Investment in den Film anfertigen durfte. Dass es sich bei dem Horrorfilm neben den typischen Horrorelementen vor allem um eine zynische Gegenwartsbeschreibung der konsumgeilen Gesellschaft der 70er-Jahre handelt, geht der hierzulande bekannten Fassung um einiges ab. Romero nutzte satirische Elemente sowie an manchen Stellen auf Orchestermusik, um Distanz zum Geschehen zu schaffen, die Argento vollständig ersetzte. Argento schraubte die satirischen Anspielungen auf ein Mindestmaß herunter, kürzte Dialogszenen und gestaltete damit den Film insgesamt düsterer, als ihn Romero gedreht hat. 

Aber natürlich wäre in der Zensurwelle der 80er auch die Romero-Version im Giftschrank verschwunden.

Deutung: Zynismus, Satire und Karikatur

Wenn wir uns heute Dawn it the Dead anschauen, sehen wir vor allem fast schon drollige, blau angemalte Zombies und einen aus heutiger Sicht betulich inszenierten Film, dessen einst berüchtigter Gewaltgrad inzwischen überholt ist. 

Romero zeigt uns die Apokalypse zu Beginn aus dem Inneren eines TV-Senders, bevor wir im nächsten Teil Polizisten auf ihrem Einsatz in einem zombieverseuchten Wohnblock folgen. Ab dann konzentriert sich der Film auf seine 4 Hauptpersonen: 1 Frau und 3 Männer, die mit einem Hubschrauber einen Ort zum Überleben suchen. Dass sie dabei ausgerechnet in einer Shopping-Mall landen, ist abgesehen von dem satirischen Seitenhieb sogar folgerichtig: Hier gibt es alles, was man zum Überleben braucht.

Aber eben auch viel mehr als das. Hier setzt Romeros Konsumkritik an: Die Geflüchteten machen es sich nämlich erstaunlich schnell im Konsumtempel gemütlich und finden in Rekordzeit vor allem Gefallen an all dem nutzlosen Plunder, das niemand bei Verstand hinsichtlich einer weltweiten Zombie-Apokalypse wirklich brauchen würde. Als sie darüber spekulieren, dass die Zombies nur deshalb in die Mall strömen, weil sie während ihres Lebens dort so viel schöne Zeit verbrachten, merken sie nicht einmal selbst die Parallelen ihres eigenen Verhaltens zu dem der Untoten. Die Zombies im Kaufhaus, wie der deutsche Volksmund sich nicht entblödete, den Film auch zu nennen, sind die Karikaturen der Menschen. Mensch wie Zombie wankt durch die Gänge auf der Suche nach dem, was ihn am Leben hält. Beim Zombie sind es Menschen, beim Menschen Produkte, Waren, Zeug und Plunder. Sogar einen Hare Krishna lässt Romero genüsslich durch die Warenwelten geistern.

Überhaupt sind in Romeros Dawn of the Dead die Menschen die eigentlich Beschränkten. Während die Zombies nichts für ihr Tun können – schließlich sind sie lebende Tote – haben die Menschen sehr wohl in der Hand, was sie tun. Wir sehen es in Dawn of the Dead ständig: Da ist die bekannte Szene während des Polizeieinsatzes zu Beginn des Films: Eine Frau umarmt ihren untoten Mann, obwohl sie weiß, dass er ein Zombie ist und was dieser mit ihr tun wird. Als er ihr ein Stück aus dem Hals beißt und damit ihr Schicksal besiegelt, möchte man sich an Lots Frau aus dem Alten Testament erinnert fühlen. Weil sie sich trotz aller Warnung dennoch umblickt, um die Zerstörung von Sodom und Gomorrha anzusehen, erstarrt sie zur Salzsäule.

Die modernen Menschen tun es ihr gleich. Weil sie einfach nicht loslassen können, besiegeln sie ihr Schicksal. Schwer bewaffnet gehen sie schließlich immer wieder auch für Nichtigkeiten auf Shopping-Tour, klauen sogar Bargeld aus einer Bank, als habe dies noch eine Relevanz, schneiden sich die Haare und machen sich über die tödliche Gefahr eher lustig, als dass sie sie fürchten. Mit Lastwagen verbarrikadieren sie die Türen – und trotzdem scheitern sie: Weil eine Rockergang im letzten Drittel des Films die Mall stürmt, um sich einen Anteil vom Kuchen zu sichern.

Und was machen alle? Gehen aufeinander los, anstatt zu kooperieren – denn niemand will etwas von den Segnungen des Konsumtempels abgeben.

Bei Romero liegt der Zynismus in der Unfähigkeit der Menschen, kooperativ zu sein – womit sie ausgerechnet den Zombies unterlegen sind, die als Masse auftreten und »gemeinsam« die Welt überrollen können.

Genau hier liegt der große Unterschied zwischen der originalen Romero-Version, die weltweit den Status eines Kunstwerks innehat, und der europäischen Argento-Version: 

Bei Romero sind die Menschen die eigentlichen Bestien, bei Argento sind es die Zombies. Diese wesentliche Bedeutungsverschiebung erklärt denn auch die unterschiedlichen Deutungstraditionen. In den USA wie auch im Rest der nichteuropäischen Welt handeln nahezu alle Zombiefilme von dem Menschen als Monster durch Mangel an Kooperation – während in der europäischen Tradition schlicht die Zombies als Monster herhalten müssen.

Romero erzählt wie schon im ebenfalls bahnbrechenden Vorgänger Night of the Living Dead von 1968 ohne Pathos und Schnörkel. Natürlich ist das auch dem stets geringen Budget geschuldet. Romeros Klassiker waren und sind echte Low-Budget-Filme. Die Story findet – von wenigen Szenen in der Nähe von Häusern oder einem Parkplatz – hauptsächlich in begrenzten Innenräumen statt. Durch den Verzicht auf szenische Experimente oder eine ausgefeilte Bildgestaltung ist der Film äußerst realistisch – der Film ist in ein typisches Kind der New American Cinema-Bewegung der 70er-Jahre.

Die 70er-Jahre darf man getrost als Jahrzehnt des Skandal- und Schockfilms betrachten. Dawn of the Dead hat die Gewalt im Film weder definiert, noch in eingeführt. Aus den USA waren bereits Filme wie »Das letzte Haus links«, Das Kettensägen-Massaker und The Hills Have Eyes in die Kinos gekommen – Dawn of the Dead stand lediglich in einer Tradition an Filmen, die bewusst die Grenze des Zeigbaren verschoben.

Die Gewalt damals und heute

Außerdem hatte es in den 70er-Jahren weit krassere Filme gegeben wie die Skandalfilme Trio Infernal mit Romy Schneider, Pasolinis Salo – Die 120 Tage von Sodom (interessant ist dabei, dass Trio Infernal von 1983 – 2007 ebenfalls auf dem Index stand, auf dem Die 120 Tage von Sodom bis heute steht. Pasolinis Film war in zahlreichen Ländern einige Zeit verboten, die nie ein Problem mit Dawn Of The Dead hatten).

Sieht man sich heute den Film an, fragt man sich, warum es so lang gedauert hat, den Film in Deutschland ungekürzt verfügbar zu machen. Erfolgreiche Fernsehserien wieThe Walking Dead waren schon vor Jahren erheblich blutiger und brutaler – übrigens auch in Deutschland ungekürzt im Free-TV. Auch Zack Snyders Remake von 2004 ging wesentlich härter zur Sache als das Original und hatte hierzulande nie ein Problem mit Jugendschützern.

Auch kommen die berüchtigten Splatter-Szenen einigermaßen selten vor.


Dass Romeros Originalversion der bessere Film ist, liegt vor allem an deren weltweiten Status als Kunstwerk auf der Hand. Nur diese Version zeigt die ursprüngliche Intention mit allen Mitteln, die Romero ergriff. Argento schnitt für den kontinentaleuropäischen Markt nicht nur Szenen um oder heraus, um dem Film mehr Action und weniger Satire zu verleihen, sondern änderte auch das musikalische Konzept grundlegend. Wo Romero Musik zu satirischen und gar komischen Szenen einsetzte, klingt Argentos Version weitaus ernster und spannender. In Europa ist auch klar die Argento-Version beliebter, weil man mit ihr »den typischen Zombiefilm« assoziiert – oft nicht wissend, dass »der typische Zombiefilm« ganz andere Mittel, Aussagen und Intentionen aufwies. Doch so oder so: Romeros satirischer Ansatz ist auch in der europäischen Argento-Fassung spürbar. 

Romeros Original vs. Argentos Version

Die pünktlich zum Weihnachtsgeschäft auf den Markt erste frei verfügbare, ungeschnittene und 4k-restaurierte Version ist Argentos Europäische Fassung. Wer sich für die Originalversion von George A. Romero interessiert, muss tief in die Tasche greifen: Sie ist ausschließlich in der knapp 80 Euro teuren Special Edition mit 6 Discs enthalten, die nur exklusiv im Shop von Koch Films bezogen werden kann. Oder man muss die Romero-Fassung in ausländischen Shops suchen.

Es lohnt sich auf jeden Fall.

Bernd Eichinger rettete mit Dawn Of The Dead die Constantin Film

Es grenzt an Ironie, dass Dawn Of The Dead in Deutschland mit über 3 Millionen Kinogängern ein Riesenerfolg war und mit der Goldenen Kamera ausgezeichnet werden musste wurde – weltweit spielte er bei Produktionskosten von ca. 600.000 Dollar über 50 Millionen ein. Dass Deutschlands Kinopapst Bernd Eichinger den Film 1979 nach Deutschland holte, ist mehr als eine interessante Fußnote. Eichinger hatte nicht nur den richtigen Riecher und sah auch das künstlerische Potenzial des Films – er rettete mit dem Film auch die damals fast bankrotte Constantin-Film vor dem endgültigen Ruin.
Mit anderen Worten: Ausgerechnet dem in Deutschland gefürchtetsten und missverstandensten Film ist es zu verdanken, dass es das erfolgreichste Filmstudio des Landes noch gibt.

Danke dafür. 

Zombie – Dawn Of The Dead – OT: Dawn Of The Dead – USA 1978 – Regie: George A. Romero – Mit: David Emge, Gaylen Ross, Ken Foree, Scott H. Reininger Länge: 118 Minuten – FSK: Keine Jugendfreigabe

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